Anita Blake 05 - Bleich Stille
so weit vorn, dass die Augen innerlich aufgeschnitten wurden. Darum bluteten sie und konnten dabei unverletzt aussehen. Die Waffe hatte dem Jungen fast das Gesicht vom Kopf getrennt.
Ich fuhr mit den Fingern durch das kurze blonde Haar und fand, was ich suchte. Die Schwertspitze, wenn es ein Schwert gewesen war, hatte die Schädeldecke durchstoßen. Dann war es herausgezogen worden, und der junge war zu Boden gesunken. Tot, hoffentlich, ganz sicher aber sterbend.
Die Beine waren unterhalb der Hüftgelenke abgetrennt. Dort war kaum Blut geflossen. Sie waren erst abgeschnitten worden, als der Junge tot war. Ein geringer Trost. Er war relativ schnell gestorben und nicht gefoltert worden. Es gab schlimmere Arten zu sterben.
Ich kniete mich neben die Beinstümpfe. Der linke Knochen war mit einem Schlag glatt durchgehauen worden. Der rechte Knochen war gesplittert, als wäre der Schlag von der linken Seite aus geführt worden, hätte das linke Bein sauber durchtrennt, das rechte aber nur zum Teil getroffen. Für das rechte war ein zweiter Schlag nötig gewesen.
Warum die Beine mitnehmen? Als Trophäe? Vielleicht. Massenmörder nahmen mitunter persönliche Gegenstände, Kleidungsstücke, Körperteile mit. Also Trophäen?
Die beiden anderen jungen waren kleiner, nicht mehr als eins fünfzig groß. Vielleicht jünger, vielleicht auch nicht. Sie waren beide schlank und dunkelhaarig. Vielleicht von der Sorte, die mehr hübsch als gut aussieht, doch das war im Grunde schwer zu sagen.
Einer lag gegenüber von dem Blonden auf dem Rücken. Ein braunes Auge starrte in den Himmel, glasig und still und ein wenig unwirklich, etwa wie bei einem ausgestopften Tier. Das Gesicht trug zwei große klaffende Furchen, als wäre das Schwert wie bei einem Schlag mit dem Handrücken geführt worden. Der dritte Hieb hatte den Hals getroffen. Es war eine sehr glatte Wunde, wie die anderen. Das verdammte Schwert, oder was es war, war unglaublich scharf. Aber dazu hatte mehr gehört als eine gute Klinge. Kein Mensch hätte die drei so schnell töten können, dass keine Gegenwehr erfolgte. Und kein Tier, das Menschen anfällt, würde eine Waffe benutzen.
Viele Lebewesen würden uns mit den Klauen zerreißen, uns lebendig fressen, aber die Liste übernatürlicher Wesen, die uns mit Waffen aufschlitzen würden, ist recht kurz. Nicht nur, dass dieses hier ein Schwert benutzte, keine gebräuchliche Waffe also, es besaß auch beträchtliche Fähigkeiten.
Die Hiebe ins Gesicht hatten den jungen nicht getötet. Warum waren die anderen nicht weggerannt? Wenn der Blonde zuerst getötet worden war, warum war dann dieser Junge nicht losgerannt? Niemand konnte so schnell sein, dass er drei Jungen mit dem Schwert tötete, ehe einer von ihnen losrennen konnte. Wer immer das getan hatte, hatte für jeden Mord etwas Zeit gebraucht. Trotzdem hatten sich alle verhalten, als wären sie plötzlich überrascht worden.
Der Junge war rückwärts ins Laub gefallen, hatte sich mit beiden Händen an den Hals gefasst. Die Blätter waren aufgescharrt, wo er mit den Füßen getreten hatte. Ich tat einen flachen Atemzug. Ich wollte die Wunden nicht untersuchen, aber langsam kam mir ein scheußlicher Gedanke.
Ich tastete mit den Fingerspitzen die Halswunde entlang. Die Wundränder waren so glatt. Doch es war noch menschliche Haut, menschliches Fleisch, das Blut noch klebrig dick geronnen. Ich schluckte heftig und schloss die Augen und suchte mit den Fingern nach dem, was ich vermutete. Die Wundränder hatten zwei kleine Ausbuchtungen, etwa in der Mitte. Ich öffnete die Augen und tastete sie erneut ab. Zu sehen war nichts. Da war einfach zu viel Blut. Sobald die Wunde gereinigt war, würde man es erkennen, aber nicht hier, nicht so. In den Hals war zweimal tief hineingestochen worden. Ein Stich hatte zum Töten genügt. Warum zweimal? Weil da etwas verdeckt werden sollte.
Vampirbisse zum Beispiel? Wenn ein Vampir sie getötet hatte, würde das erklären, warum der Junge nicht versucht hatte, zu entkommen. Er hatte nur im Laub gelegen und getreten, bis er starb.
Ich blickte auf den dritten Teenager. Er lag zusammengesunken auf der Seite. Unter ihm hatte das Blut eine Lache gebildet. Er war so zerstückelt, dass mein Verstand zuerst nicht deuten konnte, was meine Augen sahen. Ich wollte wegsehen, bevor der Verstand aufholte, aber ich tat es nicht.
Wo das Gesicht hätte sein sollen, war nur ein zerfetztes, klaffendes
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