Anita Blake 05 - Bleich Stille
lila
Blüten stäubten wie ein köstlicher Lavendelschleier hier und da durch die nackten Bäume. Es waren noch keine Blätter da, aber ein Hauch von Grün. Als hätte jemand einen großen Pinsel genommen und alles eingefärbt. Sah man direkt hin, waren die Zweige kahl und schwarz, aber wenn man ein wenig von der Seite und nicht einen bestimmten Baum, sondern alle zugleich ansah, war da dieser Hauch Grün.
Die 270 Richtung Süden ist so erfreulich wie jeder Highway. Sie bringt einen schnell ans Ziel, und schon hat man sie hinter sich. An der Tesson Ferry Road fuhr ich raus. An dieser Straße gibt es ein Striplokal nach dem anderen, ein Krankenhaus und Schnellrestaurants, und wenn man die Geschäfte hinter sich lässt, trifft man auf neu gebaute Häuser, die so nah beieinander stehen, dass sie sich fast berühren. Zwar gibt es noch Bäume und freie Flächen, aber die werden bald verschwinden.
Die Abzweigung zur Old 21 befindet sich auf einer Hügelkuppe gleich hinter dem Meramec. Da stehen hauptsächlich Häuser und ein paar Tankstellen, das Bezirksamt für Wasserwirtschaft und auf der rechten Seite ein Erdgasfeld. Und endlose Hügel.
An der ersten Ampel bog ich an einem kleinen Einkaufszentrum vorbei links ein. Die Straße ist eng und kurvig und schlängelt sich zwischen Häusern und Gehölzen durch. In den Gärten sah ich ab und zu Narzissen leuchten. Die Straße taucht in ein Tal hinunter, und am Fuß eines steilen Hügels steht ein Stoppschild. Dann steigt sie eilig auf einen Hügelkamm zu einer T-Kreuzung, dort biegt man links ab und ist fast am Ziel.
Die einstöckige Schule steht unten in einem breiten, flachen Tal, das von Hügeln umgeben ist. Da ich auf den Äckern von Indiana aufgewachsen bin, hätte ich sie einst als Berge bezeichnet. Die Grundschule steht für sich allein, aber nah genug, um den Schulhof teilen zu müssen. Sofern es in der Junior High Pausen gab. Als ich noch zu klein war, um auf die Junior High zu gehen, schien es, als hätte man Pausen. Als ich endlich hinging, gab es keine. Das ist der Lauf der Welt.
Ich parkte so nah beim Gebäude, wie es ging. Das war mein zweiter Besuch in Richards Schule und der erste während der Unterrichtszeit. Wir waren einmal zusammen hingefahren, um Unterlagen zu holen, die er vergessen hatte. Damals waren keine Schüler da gewesen. Ich ging durch den Haupteingang und rannte ins Gedränge. Offenbar war gerade Unterrichtswechsel, denn alle waren auf dem Weg in den nächsten Klassenraum.
Mir war sofort bewusst, dass ich gerade mal so groß war wie alle anderen. Es hatte etwas Klaustrophobisches, dieses Gedränge von Bücher schleppenden Rucksackträgern. Es musste einen Höllenkreis geben, wo man ewig vierzehn war und ewig zur Junior High ging. Einer der unteren Kreise.
Ich trieb mit dem Gedränge bis zu Richards Klassenraum. Ich gebe zu, es tröstete mich, dass ich besser angezogen war als die Mädchen. Höllisch kleinlich, aber zu meiner Junior High-Zeit war ich stämmig gewesen. Es ist kein großer Unterschied mehr zwischen stämmig und dick, wenn man gehänselt wird. Dann hatte ich meinen Wachstumsschub und war nie wieder dick. Es ist wahr: Ich war damals kleiner. Jahrelang das kleinste Kind an der Schule.
Ich stellte mich seitlich an die Tür, sodass die Schüler an mir vorbeikonnten. Richard zeigte einem Mädchen etwas in einem Lehrbuch. Sie war blond, trug ein Flanellhernd über einem schwarzen Kleid, das ihr drei Nummern zu groß war. Dazu hatte sie so etwas wie schwarze Springerstiefel an, wobei die dicken weißen Socken über den Rand gerollt waren. Die Aufmachung war das Allerneuste. Der bewundernde Blick nicht. Sie strahlte vor Eifer, weil Mr Zeeman ihr seine persönliche Hilfe gewährte.
Ich musste zugeben, dass man sich in Richard leicht verknallen konnte. Sein dickes braunes Haar war zu einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden, weshalb man zunächst meinte, er trüge es ganz kurz geschnitten. Er hat hohe, ausgeprägte Wangenknochen und ein kräftiges Kinn mit einem Grübchen, das sein Gesicht weicher macht und ihn beinahe zu perfekt aussehen lässt. Seine Augen haben ein tiefes Schokoladenbraun und die dichten Wimpern, die viele Männer haben und Frauen haben möchten. In dem leuchtend gelben Hemd sah seine stets gebräunte Haut noch brauner aus. Seine Krawatte war passend zu den Hosen kräftig dunkelgrün. Das Jackett hatte er hinter dem Pult über die Stuhllehne gehängt. Während er das Buch
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