Anita Blake 06 - Tanz der Toten
werden, weil er sich weigerte, Leute zu töten, Gestaltwandler oder nicht.
»Ich hatte gehofft, heute Abend mal nicht arbeiten zu müssen«, antwortete ich.
»Ich dachte, du hättest das ganze Wochenende frei«, sagte sie. »Ich auch.«
Ich benutzte das Telefon im Arbeitszimmer, das sie sich eingerichtet hatten. Sie hatten den Raum in der Mitte geteilt. Die eine Hälfte war im Country-Stil dekoriert, mit Teddybären in kleinen Schaukelstühlen, die andere Hälfte war maskulin gehalten, mit Jagdszenen und einem Flaschenschiff auf dem Schreibtisch. Ein Kompromiss aus dem Bilderbuch.
Ich nahm den Hörer und sagte: »Hallo?« »Hier ist Edward.«
»Woher hast du diese Nummer?«
Einen Augenblick blieb es still. »Kinderspiel.« »Wozu spürst du mich auf, Edward? Was ist los?« »Interessante Wortwahl«, meinte er. »Wovon redest du?« »Mir wurde soeben der Auftrag angeboten, dich umzubringen. Die Bezahlung ist so gut, dass es die Mühe wert wäre.«
Jetzt war ich es, die einen Moment still blieb. »Hast du ihn angenommen?« »Würde ich dich dann anrufen?« »Vielleicht«, antwortete ich. Er lachte. »Stimmt, aber ich werde ihn nicht annehmen.« »Warum nicht?« »Aus Freundschaft.« »Versuch's noch mal«, bat ich.
»Ich rechne mir aus, dass ich mehr Leute umbringen kann, wenn ich auf dich aufpasse. Wenn ich den Vertrag annehme, habe ich nur dich zum Umbringen.« »Beruhigend. Sagtest du >aufpassen« »Ich bin morgen in der Stadt.« »So sicher bist du, dass ein anderer den Auftrag annimmt?«
»Unter hundert Riesen mache ich nicht einmal die Tür auf, Anita. Also wird ihn jemand annehmen, und zwar ein Guter. Er wird nicht so gut sein wie ich, aber gut.« »Irgendwelche Ratschläge, bis du hier bist?«
»Ich habe ihnen noch nicht geantwortet. Das hält sie ein bisschen hin. Wenn ich Nein gesagt habe, brauchen sie ein wenig Zeit, um einen anderen anzusprechen. Heute Nacht solltest du noch sicher sein. Genieße dein freies Wochenende.«
»Woher weißt du, dass ich frei habe?« »Craig ist sehr gesprächig. Sehr hilfsbereit.« »Ich werde ein Wörtchen mit ihm reden müssen«, sagte ich. »Tu das.«
»Du bist sicher, dass heute Nacht noch kein Killer kommt?« »Nichts im Leben ist sicher, Anita, aber mir würde es gar nicht gefallen, wenn ein Klient versucht, mich zu engagieren, und dann den Job einem anderen gibt.«
»Bist du viele Klienten eigenhändig losgeworden?«, fragte ich. »Kein Kommentar.« »Also noch eine Nacht in Sicherheit«, sagte ich. »Wahrscheinlich, sei aber trotzdem vorsichtig.« »Wer will mich umbringen lassen?« »Das weiß ich nicht«, behauptete Edward.
»Was soll das heißen, du weißt es nicht? Du musst es wissen, damit du dein Geld bekommst.« »Das läuft meistens über Vermittler. Das verringert die Gefahr, dass der nächste Klient ein Bulle ist.« »Wie findest du den launischen Klienten, wenn du sauer auf ihn bist?«
»Ich kann ihn finden, aber das dauert seine Zeit. Wenn dir ein wirklich guter Killer an den Kragen will, Anita, dann hast du keine Zeit.« »Oh, wie beruhigend.« »Es sollte nicht beruhigend sein«, erwiderte er. »Fällt dir jemand ein, der dich so sehr hasst und so viel Geld hat?«
Ich überlegte eine Minute. »Nein. Die meisten, auf die das zutrifft, sind tot.« »Ein guter Feind ist ein toter Feind«, meinte Edward. »Genau.«
»Es gibt ein Gerücht, dass du mit unserem Meistervampir ausgehst. Stimmt das?« Ich zögerte. Ich merkte, dass es mir vor Edward peinlich war. »Ja, es stimmt.«
»Ich musste es von dir hören.« Fast hörte ich durchs Telefon, wie er den Kopf schüttelte. »Verdammt, Anita, du solltest wirklich klüger sein.« »Ich weiß«, sagte ich. »Hast du Richard den Laufpass gegeben?« »Nein.«
»Mit welchem Monster bist du heute Abend aus, mit dem Blutsauger oder dem Fleischfresser?« »Geht dich überhaupt nichts an«, versetzte ich.
»Na gut. Nimm, wen du willst, und mach dir einen schönen Abend, Anita. Ab morgen werden wir dann versuchen, dich am Leben zu halten.« Er legte auf. Bei jedem anderen hätte ich geglaubt, er sei sauer auf mich, weil ich mit einem Vampir ausging. Oder vielleicht wäre »enttäuscht« das richtige Wort.
Ich legte den Hörer auf und saß eine Weile da, um das alles auf mich wirken zu lassen. Jemand wollte mich umbringen. Soweit nichts Neues, aber dieser Jemand heuerte professionelle Hilfe an. Das war neu. Ich hatte
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