Anita Blake 06 - Tanz der Toten
Dunkelheit. Ich zielte darauf und horchte angestrengt, wie viele es waren.
»Ich bin's, Cassandra. Der Lichtschalter ist über dir. Ich bleibe hier stehen, bis du das Licht angemacht hast.« Sie redete leise, beruhigend, etwa wie man mit Verrückten spricht oder mit Leuten, die mit einer Pistole auf einen zielen.
Ich schluckte an meinem hämmernden Puls vorbei und schob mich mit dem Rücken an der Wand hoch. Mit dem linken Arm tastete ich, bis ich den Lichtschalter hatte, dann ging ich wieder in die Hocke, ohne ihn loszulassen. Als ich so weit unten war, wie es eben ging, drückte ich auf den Schalter. Das Licht flammte auf. Es folgte ein Augenblick der Blindheit, wo ich auf dem Boden kauerte und blind zielte. Als ich wieder sehen konnte, stand Cassandra am Fußende des Bettes, die Hände harmlos an der Seite und starrte mich an. Ihre Augen waren ein kleines bisschen zu groß. Die Spitze an ihrem viktorianischen Nachthemd wehte von ihrem Atem.
Ja, viktorianisches Nachthemd. Sie sah zierlich aus, puppenhaft. Ich hatte sie am Abend gefragt, ob Jean-Claude, es ausgesucht habe. Nein, sie selbst. Jeder nach seinem Geschmack.
Sie stand wie erstarrt auf dem Teppich und sah mich mit großen Augen an. »Anita, ist alles in Ordnung mit dir'« Dem Tonfall nach glaubte sie das nicht. Ich atmete tief durch und richtete den Lauf an die Decke. »Ja, alles in Ordnung.« »Darf ich mich bewegen?«
Ich richtete mich auf und senkte die Waffe. »Fasse mich nicht an, wenn ich schlafe. Sprich mich vorher an.«
»Das werde ich mir merken«, sagte sie. »Darf ich mich bewegen?« »Sicher. Was gibt's denn?«, fragte ich. »Richard und Jean-Claude sind draußen.«
Ich sah auf die Uhr. Es war ein Uhr mittags. Ich hatte fast sechs Stunden geschlafen. Oder hätte ich zumindest, wenn ich nicht noch eine Stunde lang mit Cassandra geredet hätte. Ich hatte schon jahrelang nicht mehr bei anderen übernachtet, und offen gestanden, ob Frau oder nicht. sie war trotz allem ein Lykanthrop, den ich erst seit eine„, Abend kannte. Es kam mir merkwürdig vor, ihr als Leibwächter zu vertrauen. Mir war noch nie sehr wohl dabei gewesen, mit Fremden zusammen im selben Raum «l schlafen. Nicht wegen irgendwelcher Peinlichkeit, sondern aus reinem Misstrauen. Im Tiefschlaf ist man so hilflos, man nur sein kann.
»Was wollen sie denn?« »Richard sagt, er hat einen Plan.« Ich brauchte nicht zu fragen, was für einen. Am Tag des Vollmonds hatte er nur eines im Kopf: Marcus.
»Sag ihnen, ich ziehe mich an.« Ich ging an meinen Koffer. Cassandra tappte zur Tür. Sie öffnete sie nur einen Spalt weit und redete leise. Dann schloss sie sie wieder und kam zu mir zurück. Sie sah verwirrt aus. In dem Nachthemd und mit dem verwirrten Gesichtsausdruck wirkte sie wie eine Zwölfjährige.
Ich kniete vor dem Koffer, die Kleidungsstücke in der Hand, und drehte den Kopf zu ihr. »Was ist noch?« »Jean-Claude sagt, du brauchst dich nicht erst anzuziehen.«
Einen Herzschlag lang starrte ich sie an. »Ja, klar. Ich ziehe mich trotzdem an. So lange werden sie wohl warten können.« Sie nickte und ging wieder zur Tür.
Ich ging ins Bad. Ich starrte mich selbst im Spiegel an. Ich sah genauso müde aus, wie ich mich fühlte. Ich putzte mir die Zähne, ging zur Toilette und sehnte mich nach einer Dusche. Das hätte mich wach gemacht. Ich hätte mir ein Bad einlaufen lassen können, aber ich war mir nicht sicher, ob die Männer es so lange aushalten würden. Außerdem badete ich eigentlich vor dem Schlafengehen, nicht um wach zu werden. Ich brauchte etwas Anregendes, nichts Beruhigendes.
Richard hatte einen Plan, aber Jean-Claude war bei ihm. Das hieß, der Vampir war daran beteiligt. Ein beängstigender Gedanke.
Heute Nacht würde Richard gegen Marcus kämpfen. Er könnte am nächsten Morgen tot sein. Mir wurde es eng in der Brust. Ich spürte einen Druck in den Augen, der mehr mit Tränen als mit sonst was zu tun hatte. Ich könnte damit leben, wenn Richard weit weg wäre. Es würde wehtun, wenn er nicht mehr mit mir zusammen wäre, aber ich würde es überleben. Seinen Tod würde ich vielleicht nicht überleben. Ich liebte Richard. Ich liebte ihn wirklich. Ich wollte ihn nicht hergeben. Für nichts und niemanden.
Jean-Claude war ein perfekter Gentleman, aber ich traute ihm nicht. Wie sollte ich? Er hatte immer ein Dutzend verschiedene Gründe für alles, was er tat. Was war das für ein Plan? Je schneller
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