Anita Blake 06 - Tanz der Toten
Ich war zweimal fast umgebracht worden und wollte ihn beruhigen. Liebe ist manchmal völlig albern.
»Die Sache ist also ganz einfach«, sagte Edward mit einem heiteren Unterton. »Wie meinst du das?«, fragte Richard. »Er meint, dass du ihn heute Nacht töten sollst, Richard, dann brauchen wir es nicht zu tun«, erklärte ich.
»Ich kann nur einfach nicht glauben, dass Marcus so etwas ...« »Böses tut«, schlug ich vor. Er nickte.
»Es sieht mehr nach Raina aus als nach Marcus«, meinte Jean-Claude. »Die Idee ist jedenfalls krank genug«, sagte ich.
»Marcus hätte Nein sagen können«, überlegte Richard. Er fuhr sich durch die Haare, kämmte sie mit beiden Händen zurück. Sein gut aussehendes Gesicht hatte sehr harte Züge bekommen. »Das muss aufhören. Er tut anscheinend alles, was sie von ihm will, egal was, und sie ist irre.«
Mein Blick huschte zu Harley. Ich konnte nicht anders. Er fing meinen Blick auf und lächelte. Ich wusste nicht genau, was er dachte, aber es war nichts Nettes, überhaupt nichts Nettes. Harley als Verstärkung zu haben warf in mir die Frage auf, ob ich auf der richtigen Seite stand.
»Edward, kann ich dich eine Minute unter vier Augen sprechen?« Ich war eigentlich nicht gern so eindeutig, aber Harley beunruhigte mich doch ziemlich.
Ich entfernte mich von den anderen, und Edward zog hinter mir her. Es war irgendwie schön, den Raum zu durchqueren, die Stimme zu senken und zu wissen, dass die Person, über die ich flüsterte, es nicht würde verstehen können. Jean-Claude und Richard durften ruhig mithören.
Edward sah mich an und hatte genau dieses leichte Schmunzeln an sich, als wüsste er, was ich sagen würde, und fände das zum Totlachen.
»Warum starrt er mich die ganze Zeit an?« »Du meinst Harley?«
»Du weißt verdammt genau, wen ich meine«, sagte ich. »Er guckt nur, Anita. Ist keine böse Absicht.« »Aber wieso guckt er nur mich an?« »Vielleicht weil du eine Frau bist?«
»Lass das, Edward. Was immer er denkt, es hat mit Sex nichts zu tun, und wenn doch, will ich die Einzelheiten nicht wissen.«
Edward musterte mich. »Frag ihn.« »Was?« »Frag ihn, warum er dich anstarrt.« »Einfach so?« Er nickte. »Harley wird wahrscheinlich mächtig Spaß daran haben.« »Will ich es überhaupt wissen?«, fragte ich. »Ich weiß nicht. Willst du?«
Ich atmete tief und langsam durch. »Edward, du führst mich an der Nase herum. Was läuft hier?«
»Wenn mir während des Kampfes etwas passiert, braucht Harley wenigstens eine Person, auf die er hört.« »Hört?« »Er ist absolut zuverlässig, Anita. Er wird mir den Rücken decken und nicht zurückschrecken und jeden töten, wenn ich's ihm sage. Aber ohne genaue Befehle ist er nicht gut. Und er nimmt nicht von jedem Befehle entgegen.« »Also hast du mich ausersehen?«
Edward schüttelte den Kopf. »Ich habe ihm gesagt, er soll sich jemanden aussuchen.« »Wieso mich?« »Frag ihn.« »Na gut.« Ich ging zu den anderen zurück, und Edward kam nach. Harley betrachtete uns, als sähe er völlig andere Dinge. Das kostete wirklich Nerven.
»Warum starren Sie mich so an«, fragte ich. Seine Stimme war leise, als ob er niemals laut würde. »Sie sind die Type hier, bei der man die meiste Gänsehaut kriegt.« Dann weiß ich, dass Sie nicht sehen können.« »Ich sehe nur, was da ist«, sagte er. »Was ist los mit Ihnen?« »Gar nichts.«
Ich versuchte, mir eine bessere Frage einfallen zu lassen. »Was sehen Sie, wenn Sie hier alle der Reihe nach angucken?« »Dasselbe wie Sie: Monster.« »Wieso denke ich, dass die Monster, die Sie sehen, nicht dieselben sind, die ich sehe?«
Er lächelte und zog dabei nur die Mundwinkel hoch.
»Sie sehen vielleicht verschieden aus, aber Monster sind sie trotzdem. Alle.« Er war ein eingefleischter Psycho mit Gummizellenabo.
Wenn Leute irgendwann an den Punkt kommen, wo sie die Realität nicht mehr wahrnehmen, sind sie meistens schon so abgedriftet, dass es kein Zurück mehr gibt. Manchmal hilft eine medikamentöse Therapie, aber ohne die ist ihre Welt nur beängstigend und erschütternd. Harley wirkte weder verängstigt noch erschüttert. Er wirkte ruhig.
»Wenn Sie Edward ansehen, sieht er für Sie immer gleich aus? Ich meine, erkennen Sie ihn wieder?«
Harley nickte.
»Sie würden mich wiedererkennen«, vermutete ich. »Wenn ich mir Mühe gebe, Sie mir einzuprägen, ja.« »Darum
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