Anita Blake 09 - Herrscherin der Finsternis
uns.«
Ich holte tief Luft und wehrte eine Panik ab. Ich hatte zwei Tage verloren. »Gibt es inzwischen neue Mordfälle?« Sein Lächeln ließ nach, er blickte noch ernster als vorher. »Sie meinen die Verstümmelungsmorde?« Ich nickte.
»Nein, keine neuen Leichen.« Ich stieß den Atem aus. »Gut.«
Er sah mich stirnrunzelnd an. »Keine weiteren Fragen zu Ihrer Gesundheit? Nur über Mordfälle?«
«Sie haben gesagt, Sie wüssten nicht, warum ich fast gestorben wäre und wieso ich dann nicht gestorben bin. Dann hat Mrs Evans mich also tatsächlich gerettet.«
Er wirkte noch verlegener. »Ich weiß nur eins: Nachdem wir ihr erlaubt hatten, Hand anzulegen, stieg Ihr Blutdruck wieder und der Herzrhythmus stabilisierte sich.« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß einfach nicht, was passiert ist, und wenn Sie wüssten, wie schwer es für einen Arzt ist, für jeden Arzt, Ratlosigkeit zuzugeben, wären Sie viel mehr beeindruckt, dass ich das sage.«
Ich lächelte. »Ich bin nicht zum ersten Mal im Krankenhaus. Ich weiß es zu schätzen, dass Sie mir die Wahrheit sagen und nicht die Lorbeeren für meine wundersame Genesung beanspruchen.«
»Wundersam ist gut ausgedrückt.« Er berührte die dünne Narbe an meinem rechten Unterarm. »Sie haben eine beträchtliche Ansammlung von Narben, Ms Blake. Ich glaube, Sie haben schon viele Krankenhäuser gesehen.«
»Ja.«
Er schüttelte den Kopf. »Sie sind wie alt? Zweiundzwanzig, dreiundzwanzig?« »Sechsundzwanzig.« »Sie sehen jünger aus.« »Nur weil ich klein bin.«
»Nein, daran liegt es nicht«, sagte er. »Und trotzdem, mit sechsundzwanzig solche Narben zu haben ist kein gutes Zeichen, Ms Blake. Ich habe meine Assistenzzeit in einem sehr schlechten Viertel einer sehr großen Stadt absolviert. Wir bekamen viele Gangmitglieder. Die sahen mit sechsundzwanzig genauso aus wie Sie. Narben von Messerstichen ...« Er beugte sich über das Bett und hob meinen Hemdsärmel soweit an dass die verheilte Schusswunde am Oberarm zum Vorschein kam.
« ... von Schusswunden. Wir hatten sogar eine Band von Gestaltwandlern, darum hab ich auch Kratz- und Bisswunden gesehen« «Dann waren Sie wohl in New York«, folgerte ich .
Er sah mich groß an. »Wie kommen Sie darauf?«
»Es ist verboten, Lykanthropie an Minderjährige weiterzugeben, selbst mit deren Erlaubnis, darum wurden die Bandenführer zum Tode verurteilt. Man hat ihnen Spezialkräfte und die New Yorker Polizeielite auf den Hals gehetzt, um sie auslöschen.«
Er nickte. »Ich bin kurz vorher von dort weggezogen. Ich habe viele dieser Jugendlichen behandelt.« Sein Blick war in die Ferne gerichtet. »Zwei von ihnen wechselten die Gestalt während der Behandlung. Danach wurden sie nicht mehr ins Krankenhaus gelassen. Wer ihre Farben trug, wurde nicht behandelt.«
»Die meisten werden trotzdem überlebt haben, Dr. Cunningham. Wenn die Verletzung nicht sofort tödlich ist, heilt sie wieder zu.«
»Wollen Sie mich trösten?«, fragte er. »Vielleicht.«
Er sah mich an. »Dann sage ich Ihnen jetzt, was ich zu denen immer gesagt habe: Hören Sie auf. Geben Sie ihren Beruf auf, sonst werden Sie nicht mal vierzig Jahre alt.«
»Ich habe mich schon gefragt, ob ich überhaupt dreißig werde. « »Meinen Sie das als Scherz?« »Wahrscheinlich.«
»Hinter einem Scherz verbirg sich manchmal bitterer Ernst. Hören Sie auf sich, Ms Blake. Nehmen Sie es sich zu Herzen und suchen Sie sich eine etwas ungefährlichere Tätigkeit.« »Wenn ich Polizist wäre, würden Sie das nicht sagen.«
« Ich habe noch keinen Polizisten behandelt, der so viele Narben hatte. Der einzige, der so ausgesehen hat und kein Gangmitglied war, war ein Marine«« »Haben Sie dem auch gesagt, er soll seinen Job aufgeben ?«
»Der Krieg war vorbei, Ms Blake. Normaler Militärdienst ist nicht so gefährlich.«
Er sah mich völlig ernst an. Ich erwiderte den Blick mit ausdruckslosem Gesicht. Er seufzte. »Tun Sie, was Sie wollen, es geht mich sowieso nichts an.« Er drehte sich um und ging zur Tür. »Ich weiß Ihre Sorge zu schätzen«, rief ich ihm hinterher. »Wirklich, Doktor.«
Er nickte, beide Hände am Stethoskop, als hätte er ein Handtuch um den Hals. »Sie schätzen meine Besorgnis, aber meinen Rat werden Sie ignorieren.«
»Eigentlich habe ich vor, mir eine Auszeit zu nehmen, wenn ich diesen Fall lebend überstehe. Es liegt nicht an der Verletzungsrate,
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