Anita Blake 09 - Herrscherin der Finsternis
wollte mich. Es fürchtete den Totenbändiger auf der Gegenseite, aber es wollte sich auch meine Kräfte einverleiben, und das wäre ihm gelungen, wenn Leonora Evans nicht gewesen wäre.
»Wieso hat es angefangen, Leute umzubringen? Nach zehn Jahren?« »Ich weiß es nicht«, sagte er.
»Warum tötet es die einen und häutet die anderen?« »Ich weiß es nicht.«
»Was macht es mit den Körperteilen, die es mitnimmt?« Das war ein Detail, das die Polizei nicht an Außenstehende weitergeben wollte, aber mir war eine Antwort darauf wichtiger als die Geheimhaltung.
»Ich weiß es nicht.« Er hustete wieder, aber spuckte nicht. Gut. Hätte er weiter Blut gespuckt, hätte sich die Frage nach inneren Verletzungen gestellt. Ich wollte das Rudel nicht gern überzeugen müssen, Baco in ein Krankenhaus zu bringen. Ich glaubte nicht, dass ich damit Erfolg hätte.
»Wo ist es?«
»Ich bin nie da gewesen. Aber Sie müssen wissen, dass nicht der Gott die Taten begeht. Er ist nach wie vor eingeschlossen, wo er erwacht ist. Seine Diener haben das alles getan, nicht er.«
»Was soll das heißen?«
»Das heißt, wenn Sie glauben, dass die Lage gefährlich ist, dann ist das noch gar nichts. Ich kann ihn bei Dunkelheit spüren, liegt da wie ein aufgedunsenes Ding, das sich mit Macht anfüllt. Wenn er voll genug ist, wird er sich erheben, und dann ist die Hölle los.«
»Warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt?«
»Beim letzten Mal hatten Sie Polizei bei sich. Wenn Sie mich ausliefern, bin ich tot. Sie haben gesehen, was ich tue. Da wäre nicht mal eine Jury nötig.«
Da hatte er recht. »Wenn das vorbei ist, müssen Sie das Scheusal auseinandernehmen. Sie müssen die Seelen befreien, einverstanden?«
»Wenn ich dann wieder laufen kann, ja.«
Ich warf einen Blick auf seine Beine und sah eine Beule unter dem Hosenstoff. Da ragte der Knochen heraus. Sie hatten ihm die Beine gebrochen. Herr im Himmel. An manchen Tagen gab es so viele Steine in so verschiedene Richtungen zu werfen, dass ich gar nicht wusste, wo ich anfangen sollte.
»Hat dieser Gott einen Namen?« »Er nennt sich Gatte der Roten Frau.« »Er kann doch keinen englischen Namen haben.«
»Ich denke, er spricht die Sprache seiner Opfer. Bis er zu mir kam, konnte er Englisch.« »Sie meinen also, er ist schon lange hier.«
»Ich glaube, er war schon immer hier.« »Was meinen Sie mit immer? Ewig oder nur sehr, sehr lange?« »Ich wei0 nicht, wie lange er hier ist» Baco schloss sein gesundes Auge, als wäre er müde. »Gut, Nicky, gut.« Ich drehte mich zu dem Ulfric um. »Sagt er die Wahrheit?« Er nickte. »Er hat nicht gelogen.«
»Prima. Danke für deine Gastfreundschaft und bitte, bring ihn nicht um. Wir werden ihn in den nächsten paar Tagen vielleicht brauchen, um dieses Wesen zu vernichten, ganz zu schweigen von der Rettung der Seelen aus eurem Rudel.«
»Ich werde die Prügel unterbrechen.« Das war kein »Ja, wir lassen ihn jetzt in Ruhe«, aber mehr war nicht drin. »Prima, wir bleiben in Verbindung.«
Edward blieb dicht neben mir, als wir zur Tür gingen. Er bot mir nicht seinen Arm an, war aber da, falls ich taumeln sollte. Bernardo hielt uns die Tür auf. Olaf sah uns darauf zulaufen. Auf den beiden Stufen zur Tür stolperte ich ein bisschen, und Olaf schnappte meinen Arm. Ich sah in seine Augen, und es war nicht Stolz oder Respekt, was ich sah. Es war ... Hunger, ein so starkes Verlangen, dass es Schmerz nahe kam.
Ich entzog mich ihm und hinterließ einen Blutfleck auf seiner Hand. Edward war hinter mir und half mir zur Tür. Olaf führte die Hand an den Mund und drückte die Lippen darauf wie zu einem Kuss, aber er tat das Gleiche wie die Wölfe. Er leckte mein Blut auf. Es gibt alle möglichen Arten von Monstern. Die meisten brauchen Blut. Einige wollen fressen, andere das Vergnügen, aber tot ist man in jedem Fall.
Im Wagen waren wir alle still. Olaf war in Gedanken versunken, über die ich lieber nichts wissen wollte. Irgendwann sagte Bernardo: »Wohin geht's?« »Zu mir nach Hause«, antwortete Edward. »Ich glaube nicht, dass Anita heute noch zu etwas imstande ist.«
Ausnahmsweise widersprach ich nicht. Ich war so müde, dass mir schlecht war. Wenn ich eine bequeme Haltung hätte finden können, wäre ich wahrscheinlich eingeschlafen.
Wir verließen Albuquerque und fuhren auf die fernen Berge zu, die heiter und strahlend in der Sonne lagen.
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