Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
verschließen, damit er besser Luft holen konnte. Und damit er nicht verblutete.
»Stirb nicht meinetwegen, verdammt«, flüsterte ich, dann fing ich an, um Hilfe zu schreien.
26
Seine Hände waren nass, das Polohemd hatte aufgesaugt, was möglich war, aber immer noch quoll Blut hervor. Es durchnässte meine Jeans, lief mir über die Unterarme. Jamil starrte mich mit gelben Augen und offenem Mund an, rang verzweifelt nach Luft. Die langen Krallenhände zogen sich immer wieder krampfartig zusammen. Unter meinen Händen breitete sich eine prickelnde Wärme aus. Seine Haut bewegte sich wie warmes, haariges Wasser.
Aus der Dunkelheit tauchten Gestalten auf. Sie sahen wie Menschen aus, aber ich wusste es besser. Werwölfe - ich steckte bis zum Hals in Werwölfen. »Er braucht einen Arzt«, sagte ich.
Ein dunkelhaariger Mann mit einer kleinen runden Brille kniete sich an Jamils andere Seite. Er öffnete eine große braune Tasche und zog ein Stethoskop heraus. Ich stellte keine Fragen. Fast jedes Rudel hatte seinen Arzt. Man konnte nie wissen, wann man einen vertrauenswürdigen Mediziner brauchte.
Er schob meine Hände von der Wunde. »Sie heilt bereits. Es war keine Silbermunition.« Er leuchtete mit einer dünnen Taschenlampe hinein. »Was steckt denn da drin?«
»Mein Polohemd.« »Ziehen Sie es raus, bevor es einwächst.«
Die Wunde schloss sich also. Ich griff hinein, bekam den Stoff zu fassen und zog. Heraus kam ein nasser tropfender Lumpen. Ich ließ ihn ins Laub fallen. Das Hemd würde ich heute Nacht nicht mehr anziehen. Dabei fiel mir ein, dass ich oben herum nur den schwarzen BH anhatte. Es war mir egal.
»Wird er überleben? « , fragte ich. »Das wird er.« »Versprechen Sie es mir«, bat ich.
Er blickte mich an und nickte. Das Mondlicht machte seine Brillengläser zu Spiegeln. »Versprochen.«
Ich sah in Jamils Wolfsgesicht. Strich ihm das Fell aus der Stirn. Es fühlte sich weich und kräftig an. »Ich bin gleich wieder da.«
Da waren noch andere Leute bei Jason und Zarte: Cherry, die Zarte im Schoß wiegte, und Nathaniel, der bei ihnen kniete, aber nur mich ansah. Es beugte sich auch jemand über den Gewehrschützen und schnürte ihm den Armstumpf mit einem Gürtel ab. Gut. Ich brauchte ihn lebend. Ich wollte ihn einiges fragen, aber jetzt noch nicht.
Ich kniete mich neben Jason, der auf der Seite lag. Eine Frau versorgte seine Wunden. Sie trug Shorts und ein Oberteil mit Nackenträger. Die dunklen Haare hatte sie zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden. Erst als sie den Kopf drehte, erkannte ich Lucy. Sie hielt eine Taschenlampe zwischen den Zähnen und untersuchte die Wunden mit sicherer Hand, als würde sie sich auskennen.
Sie antwortete auf meine Frage, bevor ich sie stellen konnte. »Er wird wieder gesund, aber es wird ein paar Tage dauern.« Das hieß, für einen Menschen wären die Verletzungen tödlich gewesen.
Sie schaute auf und begegnete meinem Blick. Ihr Make-up war nicht mehr ganz so übertrieben, doch sie hatte auch im Mondschein ein hübsches Gesicht.
Ich sah weg. Ich wollte den Ausdruck in ihren Augen nicht sehen. Ich wollte nichts über sie wissen. Ich kniete bei Jason und wollte ihm übers Gesicht streichen, dann zog ich die Hand zurück, weil sie noch blutig war.
Er sagte etwas sehr leise. Ich musste mich über ihn beugen, um ihn zu verstehen. »Lass mich das Blut ablecken« , bat er. Ich zog ein bisschen die Brauen hoch. »Du liegst nicht im Sterben, Jason«, sagte ich. »Werd nicht frech.« »Es ist frisches Blut, Anita«, erklärte Verne, »Blut aus seinem Rudel. Das unterstützt seine Heilung.«
Ich blickte zu ihm auf. Der Ulfric stand etwas abseits, groß und schlank und aufrecht, und ließ die Mediziner ihre Arbeit tun. Ich wollte ihn schon fragen, wo er verdammt noch mal gewesen war, als wir überfallen wurden, aber Zane brummte.
Auch er schien sich von seiner Schusswunde, die einen Menschen den Arm gekostet hätte, zu erholen, stieß aber kleine Schmerzensschreie aus, während der Arzt ihn verband.
»Das Blut wird ihm guttun«, sagte Verne. »Erst recht, wenn es von jemandem stammt, der so machtvoll ist wie du. Marianne stärkt manchmal das Rudel auf diese Weise.«
»Es wird ihm wirklich helfen«, versicherte Lucy und versuchte, betont neutral zu schauen.
Ich sah Jason an. Sein Gesicht war eine blutige Maske. Ein Auge war völlig zugeschwollen. Er versuchte, mich
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