Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
anzulächeln, doch auch die Lippen waren so übel geschwollen, dass das Lächeln nicht zustande kam. Es sah aus, als würde ein Teil seines Gesichts nicht richtig funktionieren.
Ich berührte seinen Mund mit den Fingerspitzen, strich ihm das Blut auf die Unterlippe. Er saugte sie ein und leckte es ab. Bei Jeder Bewegung zuckte er vor Schmerzen zusammen.
Behutsam schob ich ihm zwei Finger zwischen die Lippen. Er versuchte zu saugen, aber das ging nicht so recht. Er leckte und schluckte heftig. Ich zog die Finger heraus, und er packte mein Handgelenk, um sich die nächsten beiden Finger in den Mund zu führen.
Richard brach zwischen den Bäumen hervor und ging auf die Knie, unmittelbar hinter ihm Shang-Da wie ein guter Leibwächter. Richard fing meinen Blick auf, und schon der optische Kontakt öffnete die Verbindung zwischen uns ein Stückchen weiter. Ohne Jean-Claude als Puffer wirkten die Zeichen stärker. Richard war außer Atem. Ich spürte das Heben und Senken seiner Brust, als ob ich für ihn atmete, und auch, wie er die Frau neben mir anschaute. Einen Moment lang sah ich Lucy mit seinen Augen, sah, wie sich die Brüste unter dem Oberteil hoben, die Schattenlinie der Wange, die halb vom Mond beschienen wurde. Sie hob den Kopf und sah mich an, als hätte sie meinen Blick gespürt.
»Er will dich noch immer«, sagte ich. Sie lächelte ein wenig. »Aber nicht so sehr wie dich.«
Die Wirkung der Zeichen legte sich. Ich spürte seine Atmung nicht mehr und nicht, was er dachte. Er hatte mich abgeschnitten. Vielleicht aus Angst, was ich bei ihm entdecken würde. »Was ist passiert, Verne? In deinem Gebiet hätten sie sicher sein sollen«, sagte Richard.
Es war Cherry, die antwortete. »Jamil hat uns drei Hilfe holen geschickt. Er«, sie zeigte auf eine dunkle Gestalt, die abseits stand, »wollte uns nicht auf das Lupanar lassen. Er weigerte sich auch, unsere Bitte um Hilfe an Verne zu übermitteln.«
Der Mann trat vor, sodass er in einem Flecken Mondlicht sichtbar wurde: groß, muskulös, dunkelhaarig, blass. »Sie gehören nicht zum Rudel. Sie haben kein Recht, durchgelassen zu werden.«
Plötzlich war Verne bei ihm und der große Werwolf am Boden. Ich hatte keinerlei Bewegung gesehen. Das war eine traumhafte, unmögliche Geschwindigkeit.
»Ich bin Ulfric. Ich entscheide, wer würdig ist und wer nicht, Eric. Du bist nur Freki, der dritte im Rudel. Du hast noch einen Kampf zu bestehen, bevor du mich herausfordern kannst.« Eric fasste sich ins Gesicht und holte sich blutige Finger. »Ich fordere dich nicht heraus.«
Hinter mir im Laub raschelte es. Zane kam zu mir gekrochen, den verletzten Arm in einer Behelfsschlinge. »Ich bin zurückgelaufen, um euch zu helfen, während Cherry und Nathaniel mit dem Wächter gestritten haben.« Ich spürte das Drängen in seinem Blick, ohne hinzusehen. »Das Blut wird trocknen, bevor er alles bekommen hat.« Er blieb knapp außer Reichweite. Sein Hemd war an einer Seite aufgerissen und hing in Fetzen von der Schulter. Er sah mich unentwegt an, und ich spürte seine Not an der ganzen Körperhaltung. Er bat um mehr als nur Heilung. Wäre er nicht da gewesen, wäre Jason jetzt tot. Selbst ein Lykanthrop konnte nur begrenzt einstecken.
Jason leckte nun meine Handfläche mit langen, langsamen Zungenschlägen.
»Brauchst du die andere Hand?«, fragte ich. »Es wird trocken sein, bevor er es nutzen kann«, sagte Lucy.
Ich blickte sie an und hasste sie ein klein bisschen. Weil sie mit Richard im Bett gewesen war. Weil sie Dinge mit ihm gemacht hatte, die ich mir nicht erlaubt hätte.
»Der Werleopard braucht das Blut nicht«, sagte Richard. »Seine Wunde heilt auch so.«
Wortlos hielt ich Zane die andere Hand hin. Er kroch auf Knien und dem gesunden Arm zu mir. Ich sah Richard an, während Zane meine Finger in den Mund nahm. Er saugte wie ein hungriges Kind, das keinen Tropfen Pudding am Löffel lassen will.
»Er ist mein, Richard, genauso mein wie Jason. Ich bin Nimir-Ra und Lupa.« Richard stand auf. »Ich weiß, was du bist, Anita.«
Ich schüttelte den Kopf. »Du hast keine Ahnung.« In dem Moment, wo ich das aussprach, spürte ich diese warme, anschwellende Präsenz. Der Munin stieg in mir auf wie ein Wasserstrahl. Das Band mit Richard schien das manchmal zu bewirken. Oder vielleicht, was er in mir auslöste. Lust oder Wut oder beides. Diesmal wehrte ich mich nicht. Marianne hatte gesagt, wenn ich damit
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