Anita Blake 10 - Ruf des Bluts
aufhörte, würde der Munin etwas von seiner Macht über mich verlieren. Ich glaubte sowieso nicht, dass ich ihn restlos abwehren konnte. Das Beste war also, ihn beherrschen zu lernen. Ich ließ ihn über mich fließen, die Arme hinunter in die beiden Männer.
Jason war bis zu meinem Handgelenk gekommen, leckte über die Adern dort. Bei dem Geruch des frischen Blutes so dicht unter der Haut hatte er gezögert. Jetzt blickte er mich mit dem gesunden Auge ein bisschen ängstlich an.
Ich lächelte ihn an und wusste, es war nicht nur mein Lächeln. Ich war nicht mehr allein. Rainas Gedanken lagen über meinen wie ein Schleier. Ich konnte hindurchsehen, aber er färbte alles, was ich sah. Ihr Körper, unser Körper, wollte Dinge, sehnte sich nach Dingen, vor denen ich schreiend weglaufen wollte. Doch wenn ich aufpasste, würde ich sie benutzen können, wie sie mich benutzte. Es war wie eine Treppe hinaufzusteigen, eine enge Treppe mit einer Tasse brühend heißem Kaffee in der Hand, die bis zum Rand gefüllt war. Vorsichtig, oh, ganz vorsichtig sein, sonst läuft er über die Finger.
Andernfalls würde es gehen wie vorher im Wald, wo der Munin seinen Spaß gehabt hatte. Ich wollte nicht noch einmal so eine plastische Erinnerung durchmachen. Nicht heute Nacht und auch sonst nicht. Jason kam damit nicht klar und ich genauso wenig.
Ich sah ihn an. »Ist in Ordnung, Jason. Genieße das Blut, solange es geht. Ich glaube nicht, dass du dieses Angebot zweimal bekommst.«
Er leckte meinen Arm hinauf, eifrig wie eine Katze, die sich wäscht. Zane hatte meine Finger abgelutscht und hob jetzt meine Hand vor sein Gesicht. Er leckte sehr langsam, sehr gründlich die Innenfläche ab.
Hinter uns stöhnte jemand. Ich drehte den Kopf. Es war der Gewehrschütze. Er war bei Bewusstsein und hatte Schmerzen. Der Arzt mit der runden Brille wollte ihm gerade eine Spritze geben.
»Bringt ihn zu mir«, rief ich.
Der Arzt und der Werwolf, der bei ihm war, schauten zu Verne und Richard hinüber. Die standen beieinander und stritten, wieso alles so schiefgelaufen war. Das würden sie auch später noch tun können. Ich wollte einiges von dem Mann wissen.
»Seht nicht sie an, seht mich an, und bringt ihn her!« Rainas Munin quoll über, strömte über mich, über Jason, über Zane. Er erfasste sogar Lucy, die erschrocken nach Luft schnappte. Jeder um mich herum bekam etwas ab, eine Kostprobe sozusagen. Es wurde schwieriger, sich zusammenzureißen. Schwieriger zu denken.
Sie trugen den Verwundeten zu mir. Ich wusste, welches Bild ich abgab. Da saß ich nun in einem schwarzen BH, der zwar mehr bedeckte als so manches Bikinioberteil, doch es blieb ei," BH, und ich war voller Blut. Jason und Zane leckten mich ab. Es war befremdlich und makaber und würde wunderbar bedrohlich wirken.
Der Gewehrschütze wurde vor mir ins Laub geworfen. Jason und Zane beachteten ihn nicht, sie leckten weiter. Zane glitt mit den Lippen über meine Haut und kratzte ein bisschen, mit den Zähnen darüber, während sein Blick zu dem Verwundeten huschte. Ja, wir gaben eine beeindruckende Szene ab.
Ich fühlte Raina wie eine warme Glut. Sie wollte den Mund auf Zanes Lippen drücken und Jamils Blut schmecken, wollte ihm den Verband von der Schulter reißen und die Wunde lecken. Mit dem Wunsch kam der Gedanke, dass sie dann schneller heilen würde. Kam nicht in Frage.
Der Gewehrschütze starrte mich mit aufgerissenen Augen an. Ich spürte seinen Atem, roch seine Angst. Ich konnte seine Angst riechen wie sonst den Schweiß eines Menschen. Ich schmeckte, wie stark er verwundet war, wusste, dass er sich durch den Blutverlust kalt anfühlte. All das nur durch den Geruch. Scheiße.
»Wie heißen Sie?« Die Frage schien zu schwer zu sein. »Wir können auch in Ihre Brieftasche gucken. Wie heißen Sie?«
Er machte eine unwillkürliche Armbewegung zur Gesäßtasche, nur dass die Hand nicht mehr da war.
»Wenn wir ihn bald in ein Krankenhaus bringen«, sagte der Arzt, »können sie ihm den Arm vielleicht wieder annähen.« »Wenn er meine Fragen ehrlich beantwortet, können Sie ihn wegbringen.«
»Wie heißen Sie?«, fragte ich. »Terry, Terry Fletcher.« »Gut, Terry. Wer hat Sie beauftragt, uns umzubringen?«
»Ich wollte Ihnen heimzahlen, was Sie mit uns gemacht haben. Das ist alles. Es sollte niemand sterben.«
Jason hatte meinen Arm bis zum Ellbogen abgeleckt. Ich fühlte seine Fortschritte
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