Ankunft Der Woelfe
Schlag war Cube hellwach.
Er setzte sich auf, wählte und wartete. Mit der freien Hand strich er sich das wirre schwarze Haar aus der Stirn.
Es klackte.
»Na endlich. Es gibt Arbeit.«
»Was ist passiert?«
»Eine Frauenleiche. Seestraße, Ecke Goetheplatz.«
»Mitten auf der Straße?
»Nein, im Park. Der Täter hat sie weggeschleppt.«
»Schleifspuren?«
»Ja. Komm und sieh es dir an! Du wirst uns finden. Unsere Leute haben bis dahin alles taghell ausgeleuchtet.«
»Ich bin in dreißig Minuten da.«
»Besser zwanzig.«
»Okay.«
Cube unterbrach die Verbindung und versuchte, Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Sein Blick fiel auf den Boden. Eine halb volle Brandyflasche lag neben dem Bett. Er fasste sich an die Schläfen und stöhnte. Elendes Weindestillat …
Trotz der hämmernden Kopfschmerzen sprang er aus dem Bett, stieg in seine Jeans und zerrte mit hektischen Bewegungen den Reißverschluss zu, während er leise vor sich hin fluchte, weil es ihm nicht schnell genug ging.
Er stürmte ins Bad und schaute kurz in den Spiegel. Erschrocken über die Schatten unter seinen Augen beugte er sich zum Waschbecken, zog den Hebel an der Armatur hoch und hielt den Kopf unter eiskaltes Wasser, um klarer zu werden. Für einen Moment sah er einen Schäferhund durch einen dichten Wald rennen und erstarrte in der Bewegung. Er kniff die brennenden Augen zusammen. Tastend zog er das weiße Handtuch vom Haken, rubbelte sich das Gesicht trocken und vermied einen weiteren Blick in den Spiegel. Wie fertig er aussah, wusste er auch so. Zuletzt riss er den Rasierapparat aus der Halterung und stürzte aus dem Bad.
An der Fensterfront seines Lofts blieb er stehen. Er hatte bis zum heutigen Tag keine Gardinen angebracht. Nur wenige Lichter brannten in der Ferne. Es war vier Uhr morgens. Die meisten Menschen schliefen noch tief und fest.
»Warum werden Leichen immer nachts gefunden?«, redete Cube mit sich selbst und wandte sich vom Fenster ab. Er bewegte die Edelstahlschiebetür seiner Küchenzeile per Knopfdruck. Mit der linken Hand zog er eine weiße Tasse aus dem Schrank, stellte sie unter den Kaffeevollautomaten und drückte auf doppelten Espresso, während er sich mit der rechten Hand am Kehlkopf und dann den Hals hinauf bis zum Kinn rasierte. Gleichzeitig wanderte sein Blick prüfend durch den Wohnraum. Er müsste hier unbedingt aufräumen. Eine Spur Klamotten lag auf dem Boden. T-Shirts, Jeans, Sportwäsche. Mehrere Handtücher und einzelne Socken waren verteilt.
Auf dem flachen Teakholztisch stapelten sich medizinische Fachbücher. Zuoberst ein Buch über Genetik und Viren. An der rechten Wand befand sich eine Vitrine mit alten, ledergebundenen Buchbänden und Folianten mit Blinddruck und Handvergoldung. Daneben stand ein Sekretär aus dem 18. Jahrhundert. Obenauf lag der Befund der Tierärztin, daneben die Hundeschokolade, mit der er vergeblich versucht hatte, Bella zu beruhigen. Cube zuckte zusammen, warf den Rasierapparat auf den Tisch, griff nach dem Papierumschlag und der Schokolade. Schmerzende Erinnerungen an den letzten Tierarztbesuch pochten in seinem Kopf. Mit hektischen Bewegungen legte er die Sachen in die Schublade, drehte den verschnörkelten Schlüssel um, zog ihn ab und suchte ein Versteck. Sein Blick wanderte über das Spinning-Bike zum Ruderboot und blieb am Klettergerüst hängen. Blitzschnell hangelte er sich hinauf, streckte den Arm aus und verstaute den Schlüssel auf einem Querträger aus Stahl. Da würde er ihn hoffentlich nie wieder unter die Augen bekommen.
Er sprang hinab auf die schieferfarbenen Fliesen und stürmte zu seinem Jahrhunderte alten Holzschrank, der sich neben dem Wasserbett befand. Die Türen knarrten, als er sie öffnete. Aus einem Wäschestapel zerrte er ein graues T-Shirt hervor und nahm sein Schulterholster vom Innenhaken. Während er zum Safe ging, um seine Waffe zu holen, zog er das Shirt über und legte das Holster an. Dann stürzte er den Espresso hinunter und rannte zum Ausgang. Auf der Matte lagen dreckige Stiefel. Er schob sie mit dem Fuß beiseite und stieg in die knöchelhohen Wanderboots mit dem Klettverschluss. Ein kurzer Blick aufs Handy bestätigte seine Vermutung. Schon zehn Minuten waren seit dem Anruf vergangen. Das würde ziemlich eng. Cube zerrte seinen Mantel vom Haken.
*
Weitere zwanzig Minuten später parkte er an neunter Position auf der Seestraße neben einer schräg stehenden Straßenlaterne. Laub wirbelte über den feuchten Asphalt. Er ließ
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