Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
sie sich verspätet hat. Ich komm ja, hat sie gesagt, wird schon nicht gleich sterben, der Ochs. Ich hab hier noch zu tun, hat sie gesagt.’
‚Na, hoffentlich bin ich nicht krank, wenn sie beim Halben draußen ist.’
‚Du sagst es. Garbans Frau, die Iwe, die ist doch schwanger. Hoffentlich ist Helmin rechtzeitig da. Eine Totgeburt verdirbt die Ernte.’
Er hatte sie alle schon tuscheln sehen. Oft hatte er sich auch durch Wortfetzen den Sinn zusammenreimen können.
Endlich stand er vor dem kleinen, windschiefen Gatter, das als Teil eines klapprigen Zaunes einem erbärmlichen, überfrorenen Garten vorstand. Der wiederum lag vor einer in allen Belangen zum Garten passenden Hütte. Das Dach hing durch wie der Rücken eines alten Pferdes, der Schornstein schien jeden Moment auf eben diesen Rücken zu fallen und kein Fensterladen funktionierte mehr richtig. Mutter hatte Sie kurz vor der ersten großen Kälte mit ihm zusammen zugenagelt und die klaffenden Lücken mit Stroh ausgestopft. Er erinnerte sich gut an den schmerzenden Rücken und den wundgescheuerten Hals, denn er hatte die Bretter, die Nägel und das Stroh selbst herbeigeschleppt.
Knarrend wimmerten die Holzstufen, als er vor die Tür trat. Er hämmerte dagegen.
»M ... M ... Mutter, ich b ... b ... bin’s!« Nach einem kurzen aber kalten Moment hörte er Schritte aus dem Inneren der Hütte. Wenn man sich darauf konzentrierte, konnte man genau hören, woher die Schritte kamen, denn sonderlich gut gebaut war die Hütte nicht. Sein Mutter war im hinteren Zimmer gewesen und bewegte sich jetzt auf die Tür zu.
Ihr faltiges Gesicht erschien im Türspalt. Die vielen Jahre in dem harten Klima, die unzähligen Krankenbesuche bei Wind und Wetter und tapfer durchwachte Nächte an Krankenbetten hatten es vor seiner Zeit altern lassen. Weder er noch sie selbst kannten ihr genaues Alter aber sie war schon mindestens dreißig Winter die Kräuterfrau des Dorfes. Damals hatte sie das Amt von ihrer Muhme übernommen.
Als sie ihn erkannte, öffnete sie die Tür noch weiter: »Moakin! Komm schnell herein, sonst müssen wir die Hütte von Neuem aufheizen!«
Moakin stapfte steif gefroren ins Innere. Die mollige Wärme, die ihm entgegen schlug, verwandelte sich augenblicklich in eine stickige Hitze, die von Rauch, Kräuterduft, Schweiß und Krankheit durchsetzt war. Er ließ den schweren Sack auf den Boden gleiten und nahm schnell seine beißende Wollmütze vom Kopf. Seine Mutter half ihm beim Abnehmen des großen Holzbündels von seinem Rücken. Währenddessen sah Moakin verstohlen durch die halb offen stehende Tür in die hintere Kammer. Er sah nur einen Teil des aus Strohsäcken und Fellen bestehenden Bettes. Vom Halben sah er die Rechte. Eine dünne, knochige, fahle Hand, die sich aus einem grob gewebten, alten Hemd heraus in die Felldecke krallte.
»Trink was, mein Junge. Tee ist über dem Feuer.«
Seine Schultern fingen an zu kribbeln, als das Blut wieder ungehindert fließen konnte. Auch seine Zehen juckten entsetzlich, als sich sein warmer Lebenssaft wieder in ihnen ausbreitete.
Helmin machte sich an dem Sack zu schaffen. Halb enttäuscht und halb bestürzt fragte sie: »Was ist mit der Weidenrinde? War Beol nicht zuhause? »
»Doch, sch ... sch ... schon, aber er s ... s ... s ... sagte, er hätte k ... k ... k ... keine Z ... Zeit geha ... habt, um sie zu trockn ... nen.«
»So ein Unsinn. Beol, dieser Taugenichts, der ist auch nicht besser als die anderen. Keiner rührt hier auch nur einen Finger für ihn.« Die Wut machte ihr Gesicht augenblicklich um Jahre jünger und entschieden weniger gütig. Sie wich allerdings schnell der Verzweiflung. Helmin schien mit sich selbst zu sprechen.
»Aber ich brauch doch die Rinde, ... gegen die Schmerzen.«
Nach einem kurzen Moment des Schweigens schüttelt sie den Kopf, als wolle sie die Verzweiflung abwerfen.
»Setz dich doch Junge, häng deine Fußlappen ans Feuer. Ich mach dir eine Suppe. Wie war der Weg hierher?«
Moakin setzte sich auf den Hocker, der beim Feuer stand, und machte sich an seinen Füßen zu schaffen. Seine Mutter hatte inzwischen den Inhalt des Sackes auf dem Tisch ausgebreitet und war nun dabei, seine Suppe zu kochen. Sie saß direkt neben ihm in der Hocke und machte sich mit einem Messer daran, schrumpeliges Gemüse zu zerkleinern und in die dampfende Brühe zu werfen. Sein Kopf war etwas über dem ihren. Der Feuerschein auf ihrem Gesicht verlieh ihr eine fast überirdische Aura.
»Ich
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