Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
schon genug Ärger wegen des Todes von Ines, die Polizei war da, und wir wollten endlich wieder ein normales Leben führen. Außerdem hätte ich ja dann alles auspacken müssen. Wollen Sie vor der Polizei Ihr verkorkstes Liebesleben ausbreiten? Das war doch peinlich, und es wurde ja auch nichts gestohlen. Nur eben alles durchwühlt. Und das ist ein unangenehmes Gefühl.«
»Haben Sie eine Ahnung, was der Täter gesucht haben könnte?«
Er brauchte eine Weile, um zu antworten. Er wirkte auf Ann Kathrin wie ein Ertrinkender.
»Ich habe schon gedacht, dass er vielleicht gar nichts klauen wollte, sondern irgendwelche Abhöranlagen bei uns verstecken wollte oder Aufnahmegeräte, um meine Frau zu beobachten, um unsere ganze Familie auszuspionieren. Dieser arme Irre. Ich habe einen Computerfachmann kommen lassen, mit so Handystörgeräten und so was. Der hat unsere ganze Wohnung darauf abgeklopft, ob es irgendwo versteckte Aufnahmegeräte gibt oder so …« Er schluckte und starrte Ann Kathrin aus weitaufgerissenen Augen an. »Aber es hat alles nichts genutzt. Ich habe sie letztendlich nicht schützen können.«
Einen Atemzug später lag er schluchzend in Ann Kathrins Armen und weinte sich aus. Sie hielt ihn, wie sie früher manchmal Eike gehalten hatte, wenn er sehr traurig war. Wie lange hatte sie das schon nicht mehr getan? Es kam ihr vor wie eine Ersatzhandlung.
Inzwischen hatte Benninga herausbekommen, wo dieser Jens Lessenich auf der Insel wohnte. Im Strandhotel Georgshöhe. Er befand sich aber nicht in seinem Zimmer mit Meerblick, sondern war allein im Fitnessstudio beim Work-out.
Ann Kathrin und Benninga trafen auf einen nassgeschwitzten Mann mit hochrotem Kopf. Er ging an den Fitnessgeräten offensichtlich gerade voll über seine Grenzen. Es war seine Methode, mit der Situation fertigzuwerden.
Er beendete seine Trainingseinheit an der Latissimusmaschine nicht, während er mit Ann Kathrin sprach. Sie forderte ihn auch nicht dazu auf. Sie fand es gut, wenn er seine Aggressionen an den Eisen loswurde.
Benninga bestaunte die arbeitende, ausgeprägte Muskulatur unter dem nassen, tief ausgeschnittenen T-Shirt. Es war für Benninga eine Niederlage. Ihm wurde bewusst, dass er außer Boßeln und Klootschießen schon lange keine Sportart mehr betrieben hatte, und das tägliche Stück Sahnetorte zum Tee hatte sich in Speckröllchen niedergeschlagen. Noch vor wenigen Minuten hatte er sich wohlgefühlt und hätte sich als durchaus glücklichen Menschen bezeichnet. Doch dieser Fitnessraum hier mit all den Geräten und dem schwitzenden Jens Lessenich zog ihn runter. Er bekam sich selbst gegenüber ein schlechtes Gewissen.
Er pustete schwer, als hätte er gerade selbst Gewichte gestemmt.
»Ich weiß. Sie kommen, weil dieser Einfaltspinsel mit den dünnen Akademikerärmchen mich angeschwärzt hat!«, behauptete Jens Lessenich. Dabei stemmte er seine Hände auf die beachtlich dicken Oberschenkel und drückte die Brust heraus, um deren Größe ihn so manche Frau beneidet hätte.
»Der war es selbst, und jetzt dichtet er mir etwas an. Er hat es nicht ertragen, dass sie sich von ihm abgewendet hat. Sie wollte zu mir. Er hatte keine Chance. Sie hatte ihn satt.«
»Das klang aus seinem Mund ganz anders. Sie haben ein gemeinsames Kind, sie wohnen in einem gemeinsamen Haus, und sie machen gemeinsam Urlaub auf Norderney. Soviel ich weiß, ist keine Scheidungsklage eingereicht worden.«
Ann Kathrin betonte das Wort »gemeinsam« und wiederholte es so oft wie möglich, weil sie sah, wie sehr es auf Lessenich wirkte. Es gab ihm jedes Mal einen Stich und brachte seinen Körper in Abwehrhaltung.
Wut spült nicht nur falsche Beschuldigungen, Vereinfachungen und Übertreibungen heraus, sondern oft auch die Wahrheit
, hatte ihr Vater behauptet. Und das eigentliche Kunststück bei guter Ermittlungsarbeit sei, genau das voneinander unterscheiden zu können.
»Sie ist nur aus Mitleid bei ihm geblieben, weil er gedroht hat, sich sonst umzubringen.«
»Wie bei Ines Küppers?!«, fragte Ann Kathrin in Richtung Benninga, als sei es eine Information für ihn. Dabei behielt sie Lessenich im Auge.
Seine Reaktion war eindeutig. Er kannte Ines.
»Ach, das dumme Huhn! Die war doch auch verknallt in Michaela. Oder was glauben Sie, warum die den Haushalt bei denen gemacht hat? Die hat alles getan, um in ihre Nähe zu kommen.«
»Sie hatte einen Freund«, sagte Ann Kathrin.
Er grinste breit, erhob sich und ging schwerfällig zum anderen Ende
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