Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
des Raumes, wo seine Sporttasche stand. Dabei betrachtete er sich körperverliebt im Spiegel. Er fischte eine Flasche aus der Tasche und trank. Das glucksende Geräusch war Benninga unangenehm. Es klang wie eine verstopfte Toilette, fand er.
Dann sah Jens Lessenich Ann Kathrin an und fragte: »Haben das nicht fast alle Lesben? Ich meine, kurz vor ihrem Coming- out?«
Für Benninga war das nur ein Ablenkungsversuch. Es interessierte ihn einen Scheiß, wer auf welcher Party gewesen war und ob irgendeine Ines eine Lesbe war oder nicht. Er wollte ein Alibi sehen und überprüfen. Aber da Ann Kathrin sich auf dieses Gespräch einließ, folgerte Benninga, dass sie entweder viel mehr wusste als er oder aber dass sie einfach müde war und keine Kraft mehr hatte, dieses Muskelpaket in seine Schranken zu weisen und professionell zu befragen.
»Waren Sie auf der Party dabei, als Ines Küppers starb?«
Er reckte sich vor Ann Kathrin, unanständig, ja lasziv, wie Benninga fand.
»Nein, nicht direkt.«
»Was heißt das? Kann man auch indirekt dabei sein?«
»Ja, das kann man. Ich habe draußen gewartet.«
Na bitte, ein Spanner, dachte Benninga und staunte. Er hatte sich Voyeure immer als hässliche, schmalbrüstige Eckensteher vorgestellt, die Schwitzflecken unter den Achseln bekamen, wenn eine Frau sie anredete. Aber dieser Herkules sah eher aus, als wolle er ins Rampenlicht.
»Worauf haben Sie gewartet?«, fragte Ann Kathrin.
»Auf den großen Streit. Darauf, dass sie ihm endgültig wegrennt.«
Er schaute, als hätte er etwas sehr Bedeutendes gesagt, etwas, das die ganze Situation veränderte und eine neue Sichtweise der Dinge ergab.
Ann Kathrin zeigte aber keinerlei Gefühlsregung. Sie setzte ihr Pokerface auf, als sie nachhakte: »Sie haben da also während der ganzen Party draußen gestanden und auf Ihre Chance gewartet?«
»Nein, ich habe in meinem Auto gesessen und es mir gemütlich gemacht. Ich habe mir sogar den Pizza-Express kommen lassen …«
Benninga verschränkte die Arme vor der Brust und giftete: »Sie essen Pizza?«
»Ja. Sie nicht?«, gab Jens Lessenich zurück.
»Ich dachte, Sie ernähren sich von Eiweißdrinks und solchem Fitnessmist.«
»Nein, ich trainiere nur regelmäßig und halte mich in Form.« Er machte eine rasche Handbewegung, und Benninga wurde davon überrascht. Jens Lessenich klatschte die Rechte locker gegen Benningas Bauch und höhnte: »Täte Ihnen auch mal ganz gut.«
Benninga ärgerte sich, dass er nicht ausgewichen war. Er fühlte sich vorgeführt, reaktionsarm und inkompetent.
Ann Kathrin hatte längst zur Kenntnis genommen, dass die zwei sich auf Anhieb nicht leiden konnten. Sie blieb wachsam.
»Was können Sie mir über Ines Küppers erzählen? Es gibt das Gerücht, es sei kein Selbstmord gewesen, sondern sie sei an dem Abend ermordet worden.«
Lessenich verzog den Mund. »Da gebe ich Ihnen nur zu gerne recht. Und wenn Joachim Warfsmann Michaela umgebracht hat, dann hat er die Ines auch auf dem Gewissen. Er hatte Angst vor der Konkurrentin.«
»Weil Sie glauben, dass Ines Küppers eine lesbische Beziehung zu Michaela Warfsmann hatte oder aufbauen wollte?«
Er nickte. »Sie trauen ihm das nicht zu, weil er so ein Weichei ist, stimmt’s? Aber sein Herz ist eine Mördergrube. Der hat immer mit unlauteren Mitteln gekämpft. Mit Erpressung:
Ich bring mich um, wenn du mich verlässt.
Mit Manipulation:
Meine Mutter war eine gefühlskalte Hexe. Beweis du mir, dass Frauen auch anders sein können …»
Ann Kathrin fragte sich, woher er all das wusste oder ob er es gerade erfand.
»Und das hat Frau Warfsmann Ihnen erzählt, oder woher wissen Sie solche intimen Dinge, die normalerweise zwischen zwei Menschen in einem geschlossenen Raum gesprochen werden?«
Er fühlte sich keineswegs erwischt, sondern lächelte. »Sie hat sich bei mir ausgeheult. Wenn das Kind nicht gewesen wäre, hätte sie ihn längst verlassen, den Stinkstiefel.«
Benninga räusperte sich und winkte Ann Kathrin, sie solle ein paar Schritte zu ihm von Jens Lessenich entfernt in die Ecke kommen, aber sie blieb, wo sie war, nah beim Verdächtigen.
»Warum«, fragte Benninga jetzt quer durch den Raum, »verhaften wir ihn nicht einfach? Er hat zugegeben, sie gestalkt zu haben.« Benninga zählte es an den Fingern auf: »Er hat zugegeben, vor ihrem Haus im Auto gesessen und sie belauert zu haben. Er ist ein gottverdammter Spanner! Er war scharf auf sie und hat sie nicht gekriegt. Er ist ihr hinterhergereist
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