Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
Erinnerung daran spürte er jetzt noch den Muskelkater in seinen Lachmuskeln. Er erwischte sich allerdings auch dabei, dass er immer wieder zum Handy schielte. Er wartete auf eine Antwort von Eike und eine erneute Nachricht von Ann Kathrin.
Alles hatte sich für Rupert mit einem Schlag verändert. Er war reich! Es ging hier nicht einfach um ein paar hunderttausend Euro, sondern, wenn er seinen Augen trauen konnte, es ging um neun Millionen. Und er hatte die Superzahl.
Nie wieder arbeiten! Nie wieder Sorgen! Nie wieder in Knechtschaft leben! Nie wieder musste er sich mit einer Ann Kathrin Klaasen herumplagen, mit Gesetzen, Verordnungen und Durchführungsbestimmungen, Dienst- oder Urlaubsplänen. Alles vorbei.
Fröhlich sang er Westernhagens »Freiheit«. Ein Song, den er erst jetzt richtig begriff.
Zunächst wusste er gar nicht, was er damit anfangen sollte. Was würde er morgen früh tun? Wie verhält man sich, dachte Rupert, wenn man alles tun kann? Was tut man dann zuerst?
Jetzt, da er Champagner trinken konnte, so viel er wollte, wurde ihm klar, dass er Champagner eigentlich überhaupt nicht mochte. Er war halt Pilstrinker, und da gab es keine edlen, teuren Flaschen. Wer kaufte sich schon eine Dose Bier für ein paar hundert Euro?
Wohin jetzt mit dem ganzen Geld? Er konnte sich einen Harem leisten. Aber wo waren die Haremsdamen?
Er saß in seinem Wohnzimmer und hackte einen Brief an seine Dienststelle in seinen Laptop. Eigentlich war es ja schon ein Hohn, dass er selbst tippte. Aber wo sollte er jetzt mitten in der Nacht eine Sekretärin herkriegen?
Ja, dachte er, so ist es eben. Man hat ständig Personalprobleme. Da nutzt das ganze Geld nichts.
Na gut, jammern half nicht. Jetzt musste er halt selber ran. Die E-Mail würde ihm guttun. Er würde sie hinterher ausdrucken und in Gold gerahmt an die Wand hängen. In einem Büro, in dem er der König war.
Hier sollte eine Sekretärin, die schönste, die auf dem Markt zu haben war, in einem engen Kostüm sitzen und sich so lange die Fingernägel lackieren, wie sie wollte. Den Rest der Zeit sollte sie für ihn all die Bittbriefe beantworten, die in nächster Zeit bei ihm eintrudeln würden, natürlich abschlägig. Ihm hatte auch niemand etwas geschenkt. Sie würde seine Termine organisieren und all die kleinen Widrigkeiten des Lebens für ihn aus dem Weg räumen. Tische in Restaurants reservieren, Flugreisen buchen – ja, er wollte die Welt sehen.
Er überlegte, ob er die Mail an den Innenminister des Landes Niedersachsen persönlich schreiben sollte oder lieber an die Polizeidirektion in Osnabrück.
»Sehr geehrter Herr Innenminister, liebe Frau Polizeipräsidentin« – So ein Blödsinn. Er schrieb jetzt: »Ihr hirnrissigen Vollpfosten, wisst ihr eigentlich, wen ihr verliert? Jahre-, ja jahrzehntelang habe ich meinem Land treu gedient, und was habe ich dafür bekommen? Inkompetente Kampflesben wurden befördert, während ich mich hinten anstellen musste. Vor sich hin stümpernde Kollegen erhielten Auszeichnungen, und ein alternder Tattergreis mit ersten Demenzerscheinungen wurde zum analytischen Kopf der ostfriesischen Polizei erklärt, während ich die Fälle löste. Ruhig, unspektakulär und im Hintergrund, ganz so, wie es eben meine Art ist. Damit ist jetzt endgültig Schluss! Wisst ihr, wo ihr mich mal lecken könnt?
Ratet mal, wie viele Richtige ich im Lotto habe?! Genau. Sechs. Mit Superzahl. Bingo! Ich habe immer an mein Glück geglaubt. Und jetzt ist es da. Und ich bin endlich frei! Ihr seht mich nie wieder! Von Bettelbriefen bitte ich Abstand zu nehmen. Ihr habt mir nichts geschenkt, ich werde euch auch nichts schenken!
Euer Rupert«
Er ging den Brief noch einmal durch und fand ihn in der Wortwahl sehr angemessen, nur aus »Euer Rupert« machte er schlicht »Rupert«. »Euer Rupert«, das stimmte einfach nicht mehr. Er war jetzt nicht mehr ihr Rupert, sondern nur noch sein eigener.
In dem Moment klingelte es. Rupert lief zur Tür. Seine Frau Beate stand da. Sie fiel ihm um den Hals. Sie küssten sich noch im Flur, und Rupert hatte das Gefühl, eine heißblütige Geliebte sei hereingekommen und keineswegs seine Ehefrau.
Sie zog ihn gleich ins Schlafzimmer und versuchte, seinen Hosenschlitz zu öffnen.
»Beate! Ich versteh gar nicht …«
Auch sein Alkoholatem schien sie nicht zu stören. Doch Rupert wurde bewusst, dass er ein paar Bierchen zu viel hatte und zu Sex mit Beate jetzt überhaupt nicht aufgelegt war.
Er erlebte ihre Gier
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