Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
Grenze neu zu ziehen, die viel zu schnell gefallen war. Wenn die Flut kommt, dachte er, müssen die Deiche gut in Schuss sein.
Sie reckte sich. Es lief nicht ganz so, wie sie gehofft hatte. Der hundertste Abschuss war alles andere als ein flotter Quickie im Vorbeigehen. Es gestaltete sich geradezu desaströs zäh.
Sie saß jetzt mit gestrafftem Oberkörper ganz gerade da. Er kam ihr so unentspannt und nervös vor.
»Genug geredet«, sagte sie. »Du willst es doch auch, Frank. Komm, lass es uns tun. Gleich hier. Auf dem Boden. Oder, wenn es dir lieber ist, auch hier auf dem Sofa.«
Sie klopfte neben sich auf das Polster der Couch, als würde sie eine Katze herbeirufen.
»Wenn du es brauchst, dann wirf ruhig vorher eine blaue Pille ein. Ich mag es, wenn Männer standhaft sind. Das bisschen Chemie stört mich nicht … Man nimmt ja auch einen Drink vorher, um locker zu werden.«
Sie zauberte ein goldenes Döschen hervor und öffnete es. Darin lagen drei blaue Tabletten und mehrere bunte Präservative.
»Wenn du nichts dahast, dann nimm ruhig von mir.« Sie lachte ein bisschen zu laut. »Die moderne Singlefrau von heute, die nicht unbefriedigt neben ihrem Lover einschlafen möchte, hat so etwas ständig im Handtäschchen. Jetzt sag bloß, du hast noch nie so einen kleinen Lustverstärker geschluckt?«
»Ich muss Sie jetzt wirklich bitten zu gehen.«
»Ach, komm schon, Frank. Das ist jetzt nicht dein Ernst?!«
Sie stellte sich vor, ihn dazu zu bringen, Viagra zu nehmen. Ein eingeworfenes Potenzmittel galt in ihrer Agentur als klarer Beweis für geplanten Beischlaf. Vollzogen wurde er nicht.
Junge Männer nahmen die Pille, ohne zu zögern. Je älter die Typen waren, umso weniger wollten sie sich vorher dopen.
Verstehe einer die Männer, dachte sie.
So, wie Weller jetzt vor ihr stand, so irritierend abweisend, spürte sie zum ersten Mal ihre Chancenlosigkeit und hätte fast geheult.
»Bitte gehen Sie jetzt. Sie haben kein Recht, sich in mein Leben zu drängen, und ich bin …«, ja, er hörte es sich selbst sagen, »ich bin kein Mann für eine Nacht.«
Draußen kicherte Kerstin. Sie fand den Typen zum Verlieben standfest, zum Schießen komisch. Wenn alle Männer so wären, dachte sie, wäre ich zwar meinen Job los, aber vermutlich auch glücklich verheiratet.
Jacqueline stand jetzt draußen vor der Tür, und der ostfriesische Wind zerwuschelte ihre Haare. Kerstin ging auf Jacqueline zu. Die kaute auf der Unterlippe herum.
»Frag mich jetzt nicht, wie es war!«, keifte sie.
»Keine Sorge, ich hab ja alles mitgehört.« Kerstin grinste. »Er ist kein Mann für eine Nacht. Ich schmeiß mich weg! Und das ausgerechnet beim hundertsten Job. Dieser verfluchte Kerl hat uns ganz schön die Statistik vermasselt.«
Drinnen überlegte Weller kurz, ob er Ann Kathrin eine SMS schreiben sollte über das, was gerade geschehen war. Aber es kam ihm merkwürdig unwirklich vor. Und er entschied sich, das alles besser für sich zu behalten. Er wollte doch nicht dastehen wie einer, der versucht, seine Frau eifersüchtig zu machen, nur, damit sie schnell zu ihm nach Hause zurückkommt.
Als Rupert im zerwühlten Bett wach wurde, lag Beate nicht mehr neben ihm. Er hatte einen Knall gehört. Das musste die Haustür gewesen sein.
Er reckte sich. Wahrscheinlich war Beate aufgestanden, hatte den Frühstückstisch gedeckt und holte jetzt Brötchen, um mit ihm gemeinsam ein Sektfrühstück einzunehmen.
Er würde in Zukunft morgens lange im Bademantel herumlaufen, um dann später in der milden Sonne einen kleinen Spaziergang zu machen.
Er fand, sie hätte die Tür ein bisschen leiser schließen können, aber Rücksicht ihm gegenüber, das musste sie wohl erst einüben, da wollte er doch großzügig sein. Hauptsache, sie gab sich Mühe.
Er stand auf und ging nackt in die Küche.
Sie hatte Tee aufgesetzt, und die Kaffeemaschine blubberte. Frisch gepresster Orangensaft … Ach, dachte Rupert, sie hat bestimmt im Wohnzimmer für uns gedeckt. Man muss ja auch nicht mehr husch, husch morgens früh, man hat ja jetzt als Millionär einfach Zeit. In Zukunft sollte Beate es auch nicht mehr selbst machen, sondern er würde selbstverständlich eine Haushaltskraft einstellen, zumindest für die kurze Übergangszeit, in der sie hier noch wohnen würden. Danach wollte er dort wohnen, wo es keinen Winter gab, um kaffeebraunen Frauen auf den Po zu schauen. Wobei er sich im Moment durchaus mit dem Gedanken anfreunden konnte, ein treuer Ehemann
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