Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
ich nicht mit der Polizei zusammenarbeite. Ich schick dir die Sachen natürlich sofort.«
»Nein, halt. Warte.«
»Ich verstehe nicht ganz …«
Weller fuhr mit dem Wagen rechts ran und schaltete den Motor aus. Er wollte genau mitkriegen, was da gerade abging. Ann Kathrins Körperreaktion sagte ihm mehr als tausend Worte. Sie war vollkommen konzentriert und in einer Spannkraft, die auf ihn wirkte, als würde sie ausreichen, um durch die geschlossene Autotür nach draußen zu springen.
»Wenn er so etwas von dir verlangt, dann lass ihn in dem Glauben, dass du tust, was er sagt. Wir haben keine Ahnung, ob er in der Lage ist, dich zu kontrollieren. Aber ich kann für unseren Apparat die Hand nicht ins Feuer legen. Wenn so brisante Sachen auftauchen, dann macht das möglicherweise schnell die Runde. Schick es mir an meine private E-Mail-Adresse.«
Das sah Holger Bloem sofort ein. Außerdem kannte er Ann Kathrin gut. Sie war keine wirkliche Teamspielerin, sondern neigte eher zu Geheimniskrämereien, zog nur bestimmte Leute ins Vertrauen und schottete sich und ihre Arbeit gern ab. Damit waren innerdienstliche Konflikte vorprogrammiert.
»Hast du eine Ahnung, wer es ist?«, fragte sie.
»Nein. Wie sollte ich?«
»Er muss dich kennen. Irgendeine Beziehung zu dir haben. Vielleicht hast du ihn mal interviewt. Vielleicht seid ihr euch mal begegnet. Er hat dich ausgewählt, nicht einen Reporter vom
Stern
, von der
Zeit
oder vom
Spiegel
. Er hätte sich auch an eine Presseagentur wenden können.
dpa
oder so. Aber er sucht dich aus. Entweder hat er eine Beziehung zu dir oder zum
Ostfriesland-Magazin
.«
»Ja, toll. Der Serienkiller vertraut uns also.«
»Es hört sich makaber an, aber er schätzt dich oder das Blatt sehr, Holger.«
»Ich soll ihm also antworten?«
»Ja. Dass du all seine Bedingungen akzeptierst. Und wir versuchen herauszufinden, wer sich hinter seiner E-Mail-Adresse verbirgt. Manchmal schaffen unsere Leute da einiges, das ich mir kaum vorstellen kann. Vielleicht kann Charlie Thiekötter ihn über seine IP -Nummer sogar orten … Wir müssen uns sofort treffen.«
»Ich komme, wohin du willst. Ich kann die nächste Fähre nehmen und dann …«
»Nein, Holger. Nimm dir einen Flieger. Die Kosten übernehmen wir. Wir sehen uns in Aurich. Von welcher E-Mail-Adresse ist die Nachricht gekommen?«
Holger Bloems Antwort traf Ann Kathrin wie ein Faustschlag. »i.kueppers.«
»Verflucht«, sagte sie. »Verflucht. Also doch. Es hängt alles zusammen.«
POR Jutta Diekmann wusste nicht, wo Ubbo Heide normalerweise bei solchen Dienstbesprechungen gesessen hatte. Sie hatte sich dort positioniert, wo normalerweise Rupert auf dem Stuhl herumwippte, aber sie zog es vor zu stehen, und dabei ließ sie die Arme nach unten hängen, so dass ihre Hände die Tischplatte berührten. Sie sprach mit einer Stimme, die die Raumtemperatur abkühlte, dabei lächelte sie aber die ganze Zeit, so als würde sie Nettigkeiten verbreiten oder Kollegen belobigen.
Rieke Gersema hatte sich einen Kräutertee gemacht und verrührte nun darin zähen Honig. Jedes Mal, wenn ihr Löffel an das Porzellan stieß, traf das klirrende Geräusch auf Jutta Diekmanns Nervengerüst wie ein Zahnarztbohrer.
Da sie höchstens tausend Kalorien am Tag zu sich nahm, fror Jutta Diekmann ständig, und ihr Nervenkostüm war über lange Phasen bis zur Belastungsgrenze ausgereizt. Dieser kreisende Löffel in der Tasse reichte eigentlich schon aus, um sie zum Explodieren zu bringen. Aber sie versuchte, sich im Griff zu halten.
Jetzt begann Rupert auch noch, trockene Sanddornkekse zu knabbern, und sie hätte am liebsten laut »Ruhe!« gebrüllt. Stattdessen verfuhr sie pädagogisch wie eine Grundschullehrerin und wurde einfach leiser.
Sie wünschte Ubbo Heide eine rasche Genesung und fügte an, man müsse leider mit dem Schlimmsten rechnen, auch damit, dass er vielleicht nicht wiederkommen würde, und in dieser schwierigen Situation könne die ohnehin personell stark gebeutelte Polizeiinspektion Ostfrieslands nicht im Stich gelassen werden. Die Dienststellen in Aurich, Wittmund und Norden seien notorisch unterbesetzt, und dann leitete sie zu etwas Wichtigerem über, nämlich zu sich selbst. Sie erläuterte kurz ihren Dienstweg, erwähnte ihre Funktion im Planungsstab der Polizeidirektion Osnabrück.
Sie sah, wenn sie sich im Kreis umblickte, in den Gesichtern, was die anderen dachten. Sie hielten sie für eine Sesselpupserin, die nie wirklich an der Front
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