Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
nett, aber natürlich vollkommen überfordert. Er gab seiner Freude Ausdruck, dass nicht Ann Kathrin zur neuen Königin der Polizeiinspektion gekürt worden sei, denn das hätte bestimmt zu einer Katastrophe geführt. Er bezeichnete sie als narzisstisch und besessen von dem Gedanken, als Koryphäe für Serienkiller in die Geschichte einzugehen.
»Sie wittert überall Zusammenhänge, weil sie es sich so wünscht. Wird in Aurich ein Fahrrad geklaut, während sich in Schanghai jemand einen Fuß bricht und in Emden einer an Fischvergiftung stirbt, wird sie daraus ein Riesenkomplott machen und einen neuen Serientäter jagen.« Rupert lehnte sich zurück, zeigte mit den Fingern etwas Würfelzuckergroßes an und sagte: »Es ist gut, wenn sie auf das rechte Maß zurechtgestutzt wird.«
»Und Sie? Fühlen Sie sich wohl?«
»Ja, schon«, sagte Rupert. »Also, ich wollte ja eigentlich zum BKA , aber …«
Sie lächelte ihn verständnisvoll an. Sollte das heißen, dass sie ein gutes Wort für ihn einlegen wollte? Oder fuhr sie auf so männliche Typen wie ihn ab?
Im Grunde war sie Rupert zu mager. Er liebte Frauen mit mehr Rundungen, aber in ihrem Fall wäre er bereit gewesen, sich zu überwinden, denn ihre Augen sagten ihm, dass sie rattenscharf war, aber um die Mundwinkel herum hatte sie so einen unbefriedigten Zug.
Jutta Diekmanns Handy vibrierte. Sie bat Rupert, noch einen Moment zu bleiben. Die Nummer auf dem Display sagte ihr, dass sie auf jeden Fall rangehen musste. Sie wendete sich ein bisschen von Rupert ab, hielt sich das Handy ans Ohr und flüsterte: »Ja?«
Dann hörte sie nur noch zu, und je länger sie zuhörte, umso mehr beschlich Rupert das Gefühl, es müsse um ihn gehen.
Genau so war es.
»Danke«, sagte sie, »das kläre ich augenblicklich.«
Sie ließ das Handy wieder verschwinden, so wie sie es hervorgezaubert hatte, fixierte Rupert und sagte: »So. Sie haben also gekündigt?«
Er bemühte sich zu lächeln. »Ich? Wie kommen Sie denn darauf?«
»Und Sie bezeichnen Ihre Kolleginnen als Kampflesben?«
Rupert räusperte sich. »So etwas ist nicht meine Wortwahl. Das Wort gehört nicht zu den Ausdrücken, die ich üblicherweise benutze.«
»Ich gehe also recht in der Annahme, dass Sie nicht gekündigt haben und auch nicht im Lotto gewonnen haben?«
»Nein«, sagte Rupert standhaft, »weder das eine noch das andere. Und selbst wenn ich im Lotto gewonnen hätte, ich bin Polizist aus Überzeugung. Ich bin hier angetreten, um für Recht und Ordnung zu sorgen und für ein sicheres Niedersachsen zu kämpfen. Es mag ja Leute geben, für die geht es um Geld oder um Karriere. So etwas stand für mich nie im Vordergrund. Dann wäre ich doch nicht in den Polizeidienst gegangen«, lachte er und versuchte, sie zum Mitlachen zu motivieren, was ihm aber nicht gelang.
»Ich fürchte«, sagte sie spitz, »das Ganze wird ein Nachspiel haben, und es wird eine Untersuchung geben. Wenn Sie die E-Mail nicht geschrieben haben, haben Sie natürlich nichts zu befürchten. Wenn doch, sehe ich Ihren weiteren Verbleib im Polizeidienst als sehr gefährdet an. Danke, Sie können gehen.«
Als Rupert vor der Tür stand, war er klatschnass geschwitzt.
Nach Rupert kam Sylvia Hoppe dran, die sich sofort über Rupert beschwerte und darum bat, nicht länger mit ihm gemeinsam Dienst tun zu müssen. »Außerdem«, sagte sie, »wäre es doch für alle Beteiligten auch besser, wenn Ann Kathrin und Frank Weller in verschiedenen Schichten arbeiten würden. Die beiden sind doch verheiratet. Wie sieht das denn aus, wenn so ein Pärchen gemeinsam irgendwo auftaucht, um einen Verdächtigen zu befragen? Ich meine, wir sind doch kein Familienunternehmen. Könnte nicht Ann Kathrin mit Rupert und ich dann mit Weller?«
Frau Diekmann lächelte. Ihr Plan ging auf. Bald schon würde sie in der Lage sein, jeden gegen jeden auszuspielen.
Ein weiteres Foto zeigte die fröhlichen Kinder auf der Hüpfburg, unter der Michaela Warfsmanns Leiche gefunden worden war.
»Was soll das?«, fragte Ann Kathrin. »Warum hat er dieses Foto geschickt?«
»Na ja, das ist sein Spiel: eine Leiche im Osterfeuer, während wir drum herumstehen, Würstchen essen und Bier trinken, dann eine Leiche, auf der fröhliche Kinder herumhüpfen …«
Aber Ann Kathrin bestand darauf: »Trotzdem gibt es einen Grund, warum er genau dieses Foto ausgewählt hat. Nur ein Kind guckt in Richtung Kamera. Von den anderen kann man die Gesichter gar nicht richtig sehen. Siehst du,
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