Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
Literaturwissenschaften!«, triumphierte sie. »Er hat sogar zwei Bücher darüber geschrieben.«
Sie wollte die Titel aufzählen: »Die Bedeutung inter- und transkultureller literaturwissenschaftlicher Forschung …«
»Ja, schon gut. Ich will es ja nicht auswendig lernen. Sie haben sich also ums Erbe gezankt, und er hat dann seinen Bruder bei uns verfeuert? Erbt der dann alles allein, oder hat Willbrandt Frau und Kinder?«
»Verheiratet ist er jedenfalls nicht. Könnte sogar sein, dass du mit deiner Vermutung richtigliegst …«
»Guck, wem’s nutzt, dann weißt du, wer’s war.«
»Hast du die schlauen Sprüche von deiner Oma oder aus einem Jerry-Cotton-Heftchen?«, lästerte sie.
Rupert nahm sein Getränk und nippte daran. Er verzog den Mund. »Pfui Teufel, was ist das denn? Da kocht ja meine Schwiegermutter besseren Kaffee!«
Sylvia Hoppe roch an seinem Becher. »Das ist kein Kaffee. Das ist Gemüsesuppe.«
»Wer trinkt denn hier Gemüsesuppe?«
»Du.«
Rupert stellte das Getränk oben auf dem Automaten ab. »Und ich soll jetzt vermutlich losfahren und diesen vergreisten Akademiker besuchen, während Ann Kathrin und Weller in Carolinensiel Kaffee und Kuchen bekommen, ja?«
»So ungefähr.«
Schrader trat aus seinem Büro in den Flur, sah die beiden beim Getränkeautomaten stehen und rief: »Wirf da bloß kein Geld rein, Rupert! Da kommt nie was raus! Das Ding ist Betrug! Wir sollten uns die Lieferfirma mal vorknöpfen.«
»Aber nicht jetzt! Trink erst mal dein Süppchen, Rupert, und dann fahren wir zusammen nach Hannover und nehmen uns den Professor vor«, sagte Sylvia Hoppe.
Rupert spottete: »An Ostern schaukeln diese faulen Intellektuellen sich die Eier. Nur so arme Schweine wie wir ackern …«
»Irrtum. Er gibt ein Blockseminar. Er ist eine Art Privatdozent. Er unterrichtet mal hier und mal da, hat seine Frau mir gesagt. Hannover, Bremen, Tübingen, Heidelberg, Birmingham, Balaton.«
»Na«, spottete Rupert, »da müssen wir ja direkt stolz sein, dass so ein toller Hecht überhaupt mit uns spricht.«
Es machte Sylvia Hoppe Spaß zu sehen, wie Rupert mit seiner Intellektuellenfeindlichkeit unter dem Gedanken litt, eine Universität betreten zu müssen. Das wollte sie ihm auf keinen Fall ersparen. Deshalb hatte sie sich ihn als Begleitung ausgesucht.
Es war Ann Kathrin peinlich, dass Weller den Kuchen annahm, den die Bedienung ihnen angeboten hatte. Auch zu einem doppelten Espresso hatte er nicht nein gesagt.
Während Ann Kathrin nun die Angestellten über den Tod von Christopher Willbrandt informierte, wurde sie zweimal von Weller unterbrochen, der den guten ostfriesischen Apfelkuchen lobte.
»Danke«, sagte die junge Frau, »aber wir machen den hier nicht selber, wir bekommen alles geliefert.«
Sie hieß Nadja Jansen. Angeblich hatte sie Willbrandt vor drei Tagen zum letzten Mal gesehen, aber so kritisch, wie ihre Kollegin guckte, konnte an der Aussage irgendetwas nicht ganz korrekt sein.
Ann Kathrin hatte Respekt vor Melli Maidas genauer Beschreibung. Man merkte halt, dass die Zahnfee Kriminalromane las. Ann Kathrin hätte ein Monatsgehalt darauf gewettet, dass Nadja Jansen Christopher Willbrandt zur Zahnärztin begleitet hatte.
Dreimal während des Gesprächs sprang die junge Frau auf, bediente Gäste oder kassierte ab. Sie saß so bei Weller und Ann Kathrin, dass sie den Raum des Cafés überblicken konnte, und ihre Aufmerksamkeit war mehr bei den Gästen als bei den Kommissaren.
Nachdem Weller sein Stück Kuchen verdrückt hatte, ging er zur Theke, um sich dort mit der Bäckereifachverkäuferin zu unterhalten. Sie behauptete, Herr Willbrandt sei ein großzügiger Chef gewesen, sie hätten im Grunde alle Freiheiten gehabt. Er sei nicht oft vorbeigekommen, und sie wollte wissen, was jetzt aus ihr werden solle und ob Café und Kuchentheke weiterhin geöffnet bleiben könnten.
Weller zuckte mit den Schultern.
Sie nahm ein Quarkhörnchen aus der Auslage und biss hinein. »Entschuldigen Sie bitte«, sagte sie, »aber mir schlägt so etwas immer auf den Magen, und ich muss dann essen.«
»Ich auch«, sagte Weller.
»Verbrannt«, sagte sie. »Das ist ja ganz schrecklich. Einen schlimmeren Tod hätte er sich nicht vorstellen können.«
»Er ist nicht bei lebendigem Leibe verbrannt«, beruhigte Weller die Frau.
Sie spuckte ein paar Krümel aus. »Trotzdem war es das Schlimmste für ihn.«
»Wie kommen Sie denn darauf?«, fragte Weller.
»Nun, als seine Mutter starb – wir
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