Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
kaum nötig sein.«
Aber Rupert stand im Flur bereits hinter ihnen und maulte: »Na, die Damen? Geheimnisse? Da soll ich wohl nicht dabei sein. Aber es geht hier doch, wenn mich nicht alles täuscht, um ein Verhör und nicht um ein Casting, oder glaubt Frau Hupe, dass auf sie eine Karriere in Hollywood wartet?«
Er sprach zu Ann Kathrin, als ob Sylvia Hoppe nicht da wäre, und die antwortete in Ann Kathrins Richtung, als ob Rupert Luft sei:
»Er sagt Hupe zu mir. Er weiß genau, dass ich Hoppe heiße. Ich lasse mir das nicht länger gefallen! Ich will mit diesem Menschen nicht mehr gemeinsam irgendwohin fahren. Ich will ihn am liebsten überhaupt nicht mehr sehen.«
Rupert zuckte nur mit den Schultern.
»Macht das unter euch aus«, schlug Ann Kathrin vor und warf Rupert einen wütenden Blick zu.
Im Grunde war es Rupert ganz recht, nicht mit nach Neuharlingersiel ins Dattein zu müssen, denn er hatte einen Termin beim Anwalt vereinbart. Er wollte gegen die Annullierung der Lottozahlen klagen und auf Auszahlung seines Gewinns. Nun hatte Rupert davon gehört, dass Anwaltsgebühren sich bei einem zivilrechtlichen Streit nach der Höhe der Summe richten, um die gestritten wird. Im Jackpot waren neun Millionen Euro. Er befürchtete also, falls er verlieren sollte, würde ihn das alles noch zu einem armen Mann machen. Also hatte er sich einen Trick ausgedacht. Er wollte dem Anwalt eine Erfolgsbeteiligung anbieten. Eine ganze Million, wenn er in der Lage war, diesen Kampf für ihn zu gewinnen.
Als Rupert die Polizeiinspektion verließ, erhielt er eine SMS von Beate:
Entschuldige, dass ich heute Morgen so schnell wegmusste. Eine Freundin hat Beziehungsstress. Totale Katastrophe. Musste ihr natürlich beistehen. Sehen wir uns heute Abend? XXX
Diese SMS konnte zwei Bedeutungen haben. Entweder war inzwischen herausgekommen, dass die Entscheidung der Lottozentrale nicht rechtens war und Beate erfahren hatte, dass er nun doch Multimillionär werden würde. Oder aber, was er wesentlich unwahrscheinlicher fand, sie hatte tatsächlich ihre Liebe zu ihm neu entdeckt, unabhängig von Geld und sozialem Status.
Wie dem auch sei, es kam ihm so vor, als würden sich seine Chancen auf ein glückliches, sorgenfreies Leben wieder verbessern.
Gutgelaunt, ja für seine Verhältnisse geradezu beschwingt, stieg er ins Auto.
Als Weller den Wagen Am Nordholz in Hage parkte, sagte Ann Kathrin: »Ich kann das auch alleine.«
»Ich weiß«, bestätigte Weller, hörte sich aber wenig überzeugend an. Er spürte, wie aufgeregt Ann Kathrin war. Um ihre Nase und die Mundwinkel herum war sie blass.
Weller hatte nicht direkt vor dem Haus geparkt, und sie mussten noch ein paar Meter gehen. Normalerweise war es, als würden ihre Füße die Schritte automatisch synchronisieren. Jetzt war das nicht so. Zunächst stürmte sie los. Weller hatte Mühe, auf einer Höhe mit ihr zu bleiben. Dann verlangsamte sie ihren Gang. Mal machte sie große Schritte, dann kleine, tippelnde. So kannte er sie gar nicht.
»Sind wir«, fragte er, »eigentlich dienstlich hier oder privat?«
»Ich glaube, genau das ist das Problem«, sagte sie. »Vielleicht hat Frau Diekmann recht, und ich sollte aus der ganzen Geschichte aussteigen.«
»Sie weiß doch noch gar nichts von Eike.«
Jetzt rannte sie plötzlich.
»Ann! Cool down!«, rief er ihr hinterher und versuchte gar nicht erst, sich ihrem Tempo anzugleichen.
Sie blieb stehen, drehte sich zu ihm um und zuckte mit den Schultern. Ihr war zum Heulen zumute. Das Drama ihrer gescheiterten Ehe stieg in ihr hoch.
Weller bemerkte, dass ihre Hand zitterte, als sie klingelte. Auf dem Türschild stand
Möninghoff/Klaasen
.
Susanne Möninghoff öffnete, und es tat Ann Kathrin gut, wie schrecklich ihre ehemalige Konkurrentin aussah. Sie war alt geworden, faltig und wirkte, als sei sie vom Leben restlos überfordert und keineswegs glücklich und entspannt. Das gab Ann Kathrin sofort mehr Boden unter die Füße. Sie hielt Susanne Möninghoffs nervösem Blick leichter stand und sagte: »Ich muss mit Eike sprechen. Dringend. Ich habe mehrfach versucht, ihn anzurufen, aber …«
Susanne Möninghoff schielte zu Weller, der hinter Ann Kathrin stand, und sagte: »Kommt doch rein.« Aber gleichzeitig bewegte sie sich keinen Zentimeter, so dass es schwierig für die beiden gewesen wäre, das Haus zu betreten.
Ann Kathrin war es gewöhnt, den rechten Fuß so in den Eingang zu stellen, dass es unmöglich war, ihr die Tür vor der
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