Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
dem Gedanken. Ja, Michaela Warfsmann, das ist ein würdiges Ende für dich. Kinderlachen soll die ganze Zeit ertönen, während sie auf deinem leblosen Körper herumhopsen! Und die Sonne soll scheinen.
Er hatte vor, einen guten Tag abzuwarten. Einen, der zum Eisschlecken einlud. Der Tod von Michaela Warfsmann war Grund genug fürs Universum, die Sonne scheinen zu lassen.
Regen passt zum Tod von guten Menschen, nicht zu dem von solch intriganten Miststücken wie dir, dachte er.
Am liebsten hätte er sie langsam in Stücke geschnitten, aber das ging leider nicht. Da musste er ganz praktisch denken. Es sollte kein Blut unter der Hüpfburg hervorlaufen. Er musste sie an einem Stück darunter verbergen.
Vielleicht wäre es richtig, sie zu erwürgen.
Er stellte sich vor, ihr den Hals zuzudrücken und dann in ihre angstweit aufgerissenen Augen zu blicken. Welch ein Genuss! Aber noch schöner wäre es, ihr vorher ihre Verfehlungen vorzuhalten. Er wollte ihr gerne sagen, warum sie zum Tode verurteilt war, aber er wollte ihr keine Gelegenheit geben, sich zu rechtfertigen. Das hatte er bei Willbrandt besonders ekelhaft gefunden: diese jämmerlichen Versuche, alles zu erklären, sich reinzuwaschen und um Gnade zu flehen, um Verständnis.
Nein, es gab nichts zu verzeihen. Ihre Schuld war nicht zu relativieren. Sie konnte nur noch gesühnt werden!
Der Besprechungsraum hatte ohne Ubbo Heide etwas von einer Schule ohne Lehrer an sich, einer Kirche ohne Geistlichen, einer Kneipe ohne Wirt.
In einem Körbchen lagen ein paar alte Scheiben Krintstuut, die niemand abgeräumt hatte und die sich bogen. Daneben eine Schale mit Kandis. Eine Teekanne stand auf dem Tisch, doch niemand hatte Tee aufgebrüht.
Es roch muffig. Ann Kathrin öffnete ein Fenster.
Schrader brachte sich eine Thermoskanne Kaffee mit und ein belegtes Brötchen. Er hatte es heute Morgen gekauft und traute dem Belag nicht. Das Salatblatt sah echt aus. Die Salami roch frisch, aber nach Esel. Doch die Remoulade machte ihm Sorgen. Sie hatte so einen gelblichen Stich.
Niemand richtete sich im Raum zur Besprechung ein wie sonst. Kein Laptop wurde gestartet, keine Akte zurechtgelegt. Alle benahmen sich merkwürdig, fand Ann Kathrin, als sei das hier nur eine kurze Übung oder als hätten sie sich, einem Herdentrieb folgend, hierhin verlaufen, seien nur versehentlich da und würden den Ausgang nicht finden.
Weller machte einen desolaten Eindruck auf Ann Kathrin, und das lag nicht nur an seinem Kater.
Rieke Gersema vermied es, jemanden anzuschauen. Sylvia Hoppe wirkte wie eine Frau, die kurz vor einem Nervenzusammenbruch steht. Es hätte Ann Kathrin nicht gewundert, wenn sie gleich alles hinschmeißen würde: ihren Job, ihre Wohnung, einfach alles. So ähnlich musste sie sich gefühlt haben, als sie Köln verließ, ihren Mann dort und ihre sogenannten Freunde. Sie brodelte innerlich.
Rupert gab betont den Coolen und ließ nur kurz in die Runde fallen, der Bratarsch hätte ihn zur falschen Klinik geschickt. Dass er in Aurich statt in Norden aufgelaufen war, wusste hier inzwischen jeder.
Aber Ann Kathrin wies ihn zurecht: »Das war nicht Marion Wolters, sondern ich.«
Mit zusammengepressten Lippen stieß Sylvia Hoppe hervor: »Wie kann man nur so viel Scheiß machen, ohne auf dem Klo zu sitzen?«
Es war nicht ganz klar, ob sie damit Rupert meinte, aber die meisten gingen wohl davon aus.
Ann Kathrin eröffnete die Sitzung und wollte die Ermittlungsergebnisse zusammenfassen, um alle auf einen gemeinsamen Wissensstand zu bringen. Sie kam nicht weit. Rupert rief lautstark: »Ach, bist du jetzt hier die neue Chefin?«
Völlige Ruhe trat ein. Schwer hing Ruperts Frage im Raum wie ein Tabubruch, als würde erst jetzt klar, dass Ubbo Heide vielleicht nicht wiederkehren könnte und ersetzt werden müsste.
Erst das Summen einer Stubenfliege um Wellers Kopf machte deutlich, wie still es war. Er hatte Mühe, gedanklich im Raum zu bleiben. Er sah Ubbo vor sich liegen, angeschlossen an Schläuche. Sterbend. Dieses Bild, gegen das er sich nicht wehren konnte, überlagerte alles.
Ann Kathrin brach das Schweigen: »Ubbo Heide leitet die Abteilung. Er liegt im Krankenhaus. Das ist alles. Wir machen hier weiter, als ob er im Urlaub wäre …«
Sie sah es in den Gesichtern: Die Diskussion um Ubbos Nachfolge wurde vielleicht noch nicht geführt, aber das Nachdenken darüber hatte bereits begonnen.
Rupert und Sylvia Hoppe trugen vor, was sie über das Osterfeuer in Erfahrung
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