Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
gebracht hatten. Sie schafften es, dabei abwechselnd zu sprechen, ohne sich auch nur eines Blickes zu würdigen.
Die Verdachtsschlinge zog sich um den Hals von Professor Dr. Willbrandt enger, weil Rupert herausgefunden hatte, dass einer seiner Studenten, Maximilian Kunz, kurz Mäxchen genannt, aus Norddeich war, Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, des Ortsvereins der SPD und im Boßel- und Klootschießerverein Freesenkraft. Er hätte die Möglichkeit gehabt, die Leiche im Osterfeuer zu platzieren. Er gehörte zu der Truppe, die die Spitze des Osterfeuers aufgeschichtet hatte, und laut Ann Kathrins These musste die Leiche im oberen Drittel des Aufbaus gelegen haben.
Ihn kannte jeder, ihm vertraute jeder. Er war wie immer schon beim Aufbau dabei gewesen, und er befand sich laut Rupert auf der Flucht. Nach Angaben seines Vaters war er auf Mallorca, wohin er einen Tag nach dem Osterfeuer geflogen war. In zwei Wochen sollte er zurückkommen. Eine Finca ohne Telefon in Cala Figuera.
Rupert tippte sich an die Stirn: »So ein Studentenschnösel ohne Handy, das können die einem erzählen, der als Kind zu heiß gebadet wurde, aber nicht mir! Der gute Professor hat ihm die Reise spendiert, als Dankeschön für seine Dienste und um ihn erst mal aus der Schusslinie zu nehmen.«
So, wie Rupert sich in der Runde umsah, knüpfte er an seine Vermutungen die Hoffnung auf eine Dienstreise nach Mallorca.
Ann Kathrin bremste ihn aus, bevor er richtig in Fahrt kommen konnte: »Wir können hier in der augenblicklichen Situation auf keinen Kollegen verzichten.«
»Och … ich schon …«, raunte Sylvia Hoppe in Richtung Rieke Gersema. Die grinste.
Rupert polterte: »Ja, entscheidest du das jetzt, oder was?«
»Wenn Sturm aufkommt«, sagte Weller merkwürdig pastorenhaft, »gehört der Kapitän auf die Brücke.«
Rupert kam mit der Aussage zunächst nicht klar. Meinte Weller damit, dass er, Rupert, das Kommando übernehmen sollte? Spürte Weller tief in sich drin, dass Rupert Führungsqualitäten hatte? Rupert taxierte Weller.
»Der Kapitän liegt aber auf der Intensivstation«, stellte Rieke Gersema klar. »Es gibt für solche Fälle eindeutige Regeln, wie das im Krankheitsfall zu handhaben ist … Wir sollten das alles nicht an die große Glocke hängen, damit uns nicht eine dieser Koryphäen aus Osnabrück oder Hannover vor die Nase gesetzt wird.«
Schrader riss die Tür auf. Er war blass um die Nase und kurzatmig. »Ich war mit Benninga bei den Eltern von diesem Asbauer. Offiziell ist er dort noch gemeldet, hat da auch noch ein Zimmer …«
Ann Kathrin deutete ihm an, er solle sich setzen.
»Wir haben geklingelt und …«
»Ja, was ist denn? Nun red doch schon weiter!«
Etwas musste so ungeheuerlich und peinlich sein, dass Schrader es nicht über Funk weitergegeben hatte. Er schnaufte.
Ann Kathrin stand auf und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Ja, was ist jetzt Trumpf?«, fragte Weller ungeduldig.
»Während wir mit seinen Eltern gesprochen haben, ist er mit unserem Wagen …«
Sylvia Hoppe sprang auf und warf dabei ihren Stuhl um. »Heißt das, der Irre, der Ubbo niedergestochen hat, fährt jetzt mit einem unserer Dienstwagen durch die Gegend?«
Schrader nickte betreten. »Ja, und zwar mit Blaulicht.«
Weller hielt sich die Hände vors Gesicht.
Ann Kathrin sah Schrader an. »Wir werden doch wohl unsere eigenen Wagen orten können?«
Schrader schüttelte den Kopf. »Nein, das System ist …«
Ann Kathrin ließ ihn nicht weiterreden. Sie interessierte sich nicht für die technischen Details. »Die Kids haben heutzutage alle Handys. Und die lassen sich orten.«
Sylvia Hoppe war völlig unter Strom. »Worauf du dich verlassen kannst!«
Rupert überprüfte demonstrativ seine Dienstwaffe. »So. Den kaufen wir uns jetzt …«
»Bitte kommt erst mal runter, Kollegen. Hier läuft gerade eine Dienstbesprechung«, sagte Ann Kathrin.
»Für meinen Teil ist die beendet«, tönte Rupert und ging zur Tür.
»War das mit dem Blaulicht ernst gemeint?«, fragte Pressesprecherin Rieke Gersema und formulierte im Geiste schon eine Stellungnahme.
»Ja«, gab Schrader zu, »er hat gerade zwei Freunde von zu Hause abgeholt. Die Nachbarn haben uns angerufen …«
»Pille und Michi«, vermutete Ann Kathrin.
Rupert wollte hinter Ann Kathrin vorbei, um durch die Tür zu kommen. Sie hielt ihn auf.
»Rupert, wir brauchen keine Schusswaffen, um Jugendliche zu stoppen«, ermahnte sie ihn.
»Ach nein?«, blaffte der
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