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Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer

Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer

Titel: Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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übermächtig in ihm. Gleichzeitig der Wunsch danach, umsorgt zu sein. Irgendjemand sollte sich um ihn kümmern. Für ihn da sein. Sich seiner annehmen.
    Seinen Opa hatten sie hier liebevoll gepflegt, selbst als er verwirrt durchs Haus gelaufen war und um Hilfe gerufen hatte. Michi sah sich selbst hier im Flur stehen und gleichzeitig auch seinen Opa. Er hörte sich reden. Es klang fremd und doch irgendwie bekannt, fast so, als würde sein Großvater aus ihm sprechen:
    »Mein Name ist Michael Hude. Ich bin gekommen, um Ubbo Heide umzubringen. Das ist ein Kripomann, der hier eingeliefert wurde. Ich habe eigentlich gar nichts gegen ihn … Ich kenne ihn gar nicht, aber …«
    Er spürte, dass etwas seine Wangen entlanglief. Er wusste, dass es Tränen sein mussten, hatte aber nicht das Gefühl zu weinen.
    Der Arzt hörte zu. Michis Worte schienen ihn nicht zu schockieren. Er sah interessiert aus und ein bisschen besorgt.
    »… aber meine Freunde sagen, ich muss es tun. Also, im Grunde sind es gar nicht meine richtigen Freunde. Aber andere habe ich auch nicht … Es ist alles so eine verdammte Scheiße!«
    Michi zeigte die Spritze vor. »Das soll ich ihm injizieren.«
    Er wunderte sich, denn er sagte nicht »reinhauen« oder »reindrücken« oder »Schuss setzen«. Er sagte »injizieren«, so, als könne eine andere Sprache auch einen anderen Menschen aus ihm machen.
    »Sprechen Sie ruhig weiter. Ich höre Ihnen zu. Hier sind Sie in Sicherheit. Niemand wird Ihnen etwas tun. Geben Sie mir die Spritze. Nur medizinisches Fachpersonal darf hier so etwas benutzen.«
    Michi wich einen Schritt zurück. Ihm war, als würde er mit der Pumpe auch den letzten Rest Selbstbestimmung an den Arzt abgeben, und er war sich nicht sicher, ob das wirklich gut für ihn war.
    Schnelle Schritte hallten durch den Flur, und als er sich unwillkürlich umdrehte, sah er Weller mit weit aufgerissenen Augen. Weller konnte nicht genau erkennen, was der Junge da in der Hand hatte. Aber er vermutete, den Messerstecher vor sich zu haben.
    Weller hielt seine Heckler & Koch mit beiden Händen und verlangte: »Lassen Sie die Waffe fallen! Hände hoch! Gesicht zur Wand!«
    So, als sei er plötzlich ordentlich geworden, oder als ginge es ihm darum, unnötigen Lärm zu vermeiden, widerstrebte es Michi, gerade jetzt etwas auf den Boden zu werfen. Mit spitzen Fingern reichte er die Spritze dem Arzt. Dann hob er die Arme und drehte sich, wie Weller es verlangt hatte, zur Wand.
    Der stieß ihm in den Rücken und zog seine Beine weiter nach hinten.
    Weller tastete ihn ab und fragte: »Wo sind deine Kumpels?«
    »Nicht hier.«
    Weller ließ die Antwort nicht gelten. Er verpasste Michi einen Schlag in die Rippen. Noch nicht fest, mehr eine deutliche Warnung als der Versuch, ihm weh zu tun.
    »Ich habe gefragt, wo sie sind! Wo?«
    »Nicht hier im Krankenhaus. Sie warten am Markt auf mich. Sie wollen, dass jeder sie sieht, damit sie später ein Alibi haben, falls …«
    Weller fand die beiden Handys in Michis Tasche.
    »Wieso hast du zwei Handys?«
    Michi zuckte mit den Schultern. »Eins mit Vertrag und eins mit Prepaidkarte.«
    Weller vermutete, eins sei geklaut und würde nur für illegale Aktivitäten benutzt werden wie Drogendeals.
    »Du rufst jetzt deine Kumpels an und sagst ihnen, alles sei erledigt.«
    »Ja, aber …«
    »Kein Aber!«
    »Gut, gut, ich mach’s!«
    »Brauchen Sie mich noch?«, fragte der Arzt. »Wir haben eigentlich gerade eine Mitarbeiterbesprechung, und ich würde es auch vorziehen, wenn Sie Ihre weiteren Gespräche woanders fortsetzen könnten. Sie verunsichern mir hier die Klienten.«
    Die drei auf der Bank sahen zu, fanden das eigentlich ganz spannend, wie eine abwechslungsreiche Show im Patientenalltag.
    Weller nickte dem Arzt zu und zog Michi von der Wand weg mit sich nach draußen.
    Nachdem Michi seinen Anruf zu Wellers Zufriedenheit erledigt hatte, jammerte er: »Wenn die erfahren, dass ich sie verpfiffen habe, bin ich tot.«
    Weller blickte ihn kalt an. »Heul doch.«
    Damit hatte Michi nicht gerechnet. Er erwartete immer noch Hilfsbereitschaft und Verständnis, gerade jetzt, wo er doch getan hatte, was Weller von ihm verlangt hatte.
    »Wenn wir herausfinden, wer von euch auf Ubbo Heide eingestochen hat, dann möchte ich nicht in dessen Haut stecken«, sagte Weller bedeutungsschwanger.
    »Ich war’s aber doch nicht, sondern der Pik!«
    Weller nickte gelangweilt. »Klar. Kennen wir. Und ich wette mir dir um deine Handys, dass der

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