Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer

Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer

Titel: Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
Vom Netzwerk:
worden.«
    Er stoppte den Stuhl abrupt in der Bewegung, stand auf, ging in Richtung Kamin, kehrte gleich wieder um und kam zurück, als hätte er einen langen Spaziergang hinter sich.
    »Ja! Da kann sie recht haben! Kann, sage ich. Aber ich weiß es nicht. Ines war eine wunderbare junge Frau. Klug. Und eine Seele von Mensch. Zu gut für diese Welt, wenn Sie es genau wissen wollen. Ein HSP -Typ.«
    Er sah Ann Kathrin an, als könnte er in ihrem Gesicht lesen, dass sie nicht wusste, wovon er sprach.
    »Also«, erklärte er, »eine hochsensible Person. Sie litt an der wenig feinfühligen Welt.« Er wurde heftig, als könne Ann Kathrin sonst gar nicht verstehen, wovon er redete. »Was anderen am Arsch vorbeigeht, lässt Hochsensible fast krepieren. Das ist eine echte Krankheit. Da ist es im Restaurant zu laut«, er zeigte auf Ann Kathrin, »Sie sind dann vielleicht genervt und bleiben nicht lange. Menschen wie Ines leiden dann wirklich. Sie war im wahrsten Sinne des Wortes zartbesaitet. Ein schräger Blick von einem Typen am Nachbartisch konnte sie kirre machen. Eine blöde Bemerkung tagelang melancholisch. Es ist eine Art psychosoziale Feinwahrnehmung. Sie müssen es sich als Horrortrip vorstellen. Der hochsensible Mensch rennt nackt und praktisch wehrlos durch eine Welt voller blutsaugender, lärmender Monster.«
    Er fixierte Ann Kathrin jetzt und schwieg. Er wollte die Wirkung seiner Worte sehen. Seine Brust blähte sich auf.
    »Glücklicherweise«, sagte Ann Kathrin, »wissen wir seit Elaine Aron mehr darüber, obwohl die neurowissenschaftliche Definition des Phänomens meiner Meinung nach noch zu wünschen übriglässt. Verwunderlich eigentlich, denn schon C.G. Jung hat sich ja mit der Hypersensibilität auseinandergesetzt. Er nannte es nur nicht HSP .«
    Johannes Klar war baff. Er setzte sich wieder, diesmal breitbeinig und mit den Ellbogen auf den Knien, ganz auf Ann Kathrin konzentriert. Dann klatschte er demonstrativ Beifall. »Bravo! Woher wissen Sie das? Das ist ja mehr als die Hobbypsychologie aus der
Brigitte

    Sie hörte den Spott in seiner Stimme durchaus, tat aber, als sei ihr diese Frechheit entgangen oder unwichtig. »Ich bin Kommissarin in der Mordkommission. Wir beschäftigen uns andauernd mit den Abgründen der menschlichen Seele. Es ist mein Beruf, und wir lernen auf unseren Fortbildungen nicht nur Schießen und Knöllchen schreiben.«
    »Jedenfalls entsprechen Sie nicht dem Bild des …«, er zögerte, ob er es sagen sollte, und spielte sein Nachdenken darüber echt aus, »… blöden ostfriesischen Bullen, der keinen zusammenhängenden Satz zustande bekommt.«
    »Ja, wir sind richtige Menschen, nicht den Ostfriesenwitzen entsprungen. Es gibt einen Obduktionsbericht. Darin müsste es ja eigentlich stehen.«
    Er lachte demonstrativ laut auf. »Schneiden Ihre Pathologen neuerdings die Seelen in Scheiben wie bei den Bildern einer Computertomographie und sehen dann die seelischen Schwierigkeiten der Menschen?«
    »Nein, aber hypersensible Menschen haben einen erhöhten Cortisolspiegel, deshalb wirkt zum Beispiel Koffein auf sie stärker als auf andere. Und Medikamente und Schmerzmittel sowieso.«
    »Ich bin beeindruckt.«
    »Erzählen Sie mir etwas über sich und Ines Küppers. Waren Sie mal ein Paar? Haben Sie sie zu der Party begleitet?«
    Er holte zwei Wassergläser aus der Küche und eine Flasche St.-Ansgari-Mineralwasser. Da Ann Kathrin PET -Flaschen misstraute, war sie froh über die grüne Glasflasche und nahm einen Schluck. Er prostete ihr zu, als würden sie Sekt trinken und es gäbe etwas zu feiern.
    »Oh ja, wir waren mal zusammen. Ja, ich weiß, ich bin einundzwanzig Jahre älter als sie. Na und? Ich kenne eine Menge schrecklich unglücklicher Paare, die sind genau gleich alt. – Es war eine wunderbare Zeit! Menschen wie Ines brauchen starke, breite Schultern, an die sie sich lehnen können. Gleichzeitig haben sie aber auch Angst davor.«
    Er setzte sich anders hin. Vielleicht, dachte Ann Kathrin, falle ich auf die Tricks rein, die er im Schauspielunterricht gelernt hat. Jedenfalls wirkte er zwar arrogant, aber gleichzeitig auch ehrlich auf sie und auf eine anrührende Art immer noch betroffen.
    »Ich war natürlich nicht auf dieser Party, sonst würde sie noch leben. Oder denken Sie, ich hätte tatenlos zugeschaut, wie sie sich in Krämpfen windet und an ihrem Erbrochenen erstickt? Ich habe diese Frau geliebt! Jawohl, geliebt! Auch wenn Ihnen das vielleicht lächerlich vorkommt.

Weitere Kostenlose Bücher