Ann Kathrin Klaasen 08 - Ostfriesenfeuer
Schuppen, in dem vielleicht sogar Vieh gehalten worden war, stand ein Motorrad. Ann Kathrin wollte nicht zu übergriffig sein, und so kam sie nicht nah genug heran, um die Marke genau zu erkennen. Sie kannte sich mit Motorrädern nicht sehr gut aus, aber es war eine schwere Maschine, so viel war ihr klar.
An jeder Hausseite saß ein in Stein gehauener, dicker Buddha. Den Rücken zum Haus, das Gesicht in die Ferne gerichtet, meditierte er in tiefer Gelassenheit.
Die Renovierung dieses alten Bauernhauses konnte nicht ganz billig gewesen sein. Dazu noch das Motorrad, der Wagen …
Hinter zwei Fenstern erstrahlte dieses merkwürdige Sparlampenlicht, mit dem Ann Kathrin sich nie richtig hatte anfreunden können.
Die Türglocke war angenehm und gab dem Besucher das Gefühl, die Schrift auf der Fußmatte,
Willkommen
, sei ernst gemeint.
Johannes Klar machte einen überraschten Eindruck, aber sie ahnte, dass er sie längst bemerkt hatte und sich fragte, wer da ums Haus schlich.
Er trug ein offenes, hellblaues Cordhemd, darunter ein T-Shirt mit V-Ausschnitt. Er machte einen sportlich-durchtrainierten Eindruck. Die Jeans war verwaschen, und er trug Turnschuhe.
Es gab eine Art Eingangshalle, die gleichzeitig ein riesiges Wohnzimmer war. Modernste Unterhaltungstechnik. Ein Riesenbildschirm. Teure Boxen, strategisch im Raum verteilt. Dazwischen alte, gutaufbereitete Bauernmöbel. Ostfriesisches Porzellan in einer Glasvitrine.
Ann Kathrin kannte Wohnungen von Stalkern. Die sahen anders aus. Überall Fotos, Andenken an die verehrte Person.
Sie hatte mal eine Hausdurchsuchung bei einem Stalker in Pilsum mitgemacht, der hatte sogar das Bonbonpapier eingerahmt, das seine Angebetete weggeworfen hatte, hinter Glas an der Wand wie ein Kunstwerk. In einer kleinen Schatztruhe bewahrte er ausgespucktes Kaugummi von ihr auf. Benutzte, gestohlene Unterwäsche »schmückte« den Raum.
Nichts deutete hier auf einen Stalker hin. Wenn Klar einer war, dann hatte er die Reliquienstücke seiner Obsession woanders versteckt. Wobei sie genau wusste, dass die meisten Stalker gern mittendrin lebten.
Obwohl er sich Mühe gab, so zu tun, als hätte er gerade gelesen – drei Romane lagen aufgeschlagen auf dem Tisch –, hatte sie das Gefühl, er sei auf dem Sprung und hätte keineswegs vor, in einen gemütlichen Leseabend zu gleiten. Dafür war es in der Wohnung viel zu frisch. Die Raumtemperatur betrug höchstens sechzehn oder siebzehn Grad.
Der gemauerte Kamin war groß, und das Holz lag aufgeschichtet bereit, aber so, wie es hier roch, hatte es seit Tagen kein offenes Feuer mehr gegeben.
Auf dem Tisch bei den Büchern keine Teekanne. Nicht einmal eine Tasse Kaffee.
Ann Kathrin stellte sich als Kommissarin vor, die ein paar Fragen hatte.
Er ließ sie herein, machte ganz auf Gastfreundschaft und war hilfsbereit, aber er bot ihr kein Getränk an.
Sie zeigte auf die Bücher. »Lesen Sie drei Romane gleichzeitig?«
Er nahm zur Kenntnis, dass sie sehr aufmerksam war, und versuchte, sie einzuschätzen.
»Ja, ich lese quer. Ich bin Drehbuchautor. Immer auf der Suche nach einer guten Idee, einem guten Stoff. Also, nicht dass Sie jetzt denken, ich klaue … ich lasse mich nur inspirieren … Außerdem liebe ich Krimis … Leider gibt es nicht so viele gute, man muss lange suchen, bis man fündig wird.«
Ann Kathrin nickte. »Kenne ich. Mein Mann ist auch verrückt nach Kriminalromanen. Aber er trinkt immer etwas beim Lesen. Nachmittags Kaffee, abends Rotwein …«
So, wie sie ihn ansah, erwartete sie eine Erklärung oder Antwort von ihm. Aber er ließ sich nur in einen Schaukelstuhl fallen und wippte darin hin und her. Es gab ein Holzknarren, das irgendwie gemütlich klang. Er klopfte auf die Lehne.
»Ein altes Erbstück?«, fragte Ann Kathrin.
»Ich würde gerne ja sagen, aber meine Eltern haben mir nur Plunder hinterlassen. Dieses wurmstichige Möbelstück habe ich ersteigert und restaurieren lassen.«
»Sie schreiben Pater Brown, ich weiß«, lachte sie. »Kann man gut davon leben?«
Ihr Satz traf ihn. Er verzog angesäuert den Mund. »Nein, ich schreibe nicht Pater Brown. Aber in meiner Serie gibt es auch einen Geistlichen, der Kriminalfälle löst.«
Da schien sie wohl einen wunden Punkt berührt zu haben.
»Aber«, fuhr er schaukelnd fort, »Sie sind doch sicherlich nicht gekommen, um mit mir über meine Serie zu plaudern, oder?«
»Nein, ich untersuche den Todesfall Ines Küppers. Ihre Mutter behauptet, sie sei ermordet
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