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Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)

Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition)

Titel: Anna im blutroten Kleid: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kendare Blake
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vermutlich davon abhalten. Die Idioten würden sich auf Caspers Seite schlagen, und dann müsste ich sie und Casper töten, nachdem er ihnen die Kehlen zerfleischt hat. Ich bin kein Superheld. Wenn überhaupt, dann bin ich Rorschach aus Watchmen. Ich bin Grendel. Ich bin die Überlebende in Silent Hill.
    »Wenn du so versessen darauf bist, auf dem College damit weiterzumachen, dann gibt es eine ganze Reihe von Städten, in denen du dich gut und gern vier Jahre lang beschäftigen kannst.« Sie lenkt den Umzugswagen zu einer Tankstelle, es ist die letzte vor der kanadischen Grenze. »Wie wäre es mit Birmingham? Der Ort ist derart stark befallen, dass du jeden Monat zwei erledigen kannst und sogar noch für die Graduate School ein paar übrig hast.«
    »Ja, aber dann müsste ich in dem verdammten Birmingham zum College gehen«, sage ich, worauf sie
mir einen unwirschen Blick zuwirft. Ich murmele eine Entschuldigung. So nachsichtig sie auch ist – immerhin lässt sie ja ihren jugendlichen Sohn nachts durch die Straßen ziehen, um die Überbleibsel von Mördern zu erledigen –, sie mag es einfach nicht, wenn ich fluche.
    Sie hält an den Tanksäulen und holt tief Luft. »Weißt du, du hast ihn sicher schon mehr als fünfmal gerächt.« Ehe ich widersprechen kann, ist sie schon ausgestiegen und wirft die Tür zu.

Jenseits der kanadischen Grenze hat sich die Landschaft sehr schnell verändert. Ich blicke aus dem Fenster auf weites, bewaldetes Hügelland. Meine Mutter sagt, man bezeichne es als »borealen Nadelwald«. Vor einiger Zeit hat sie damit begonnen, sich gründlich über die Gegenden zu informieren, in die wir umziehen. Sie meint, so komme es ihr eher wie ein Urlaub vor. Sie sieht sich nach Lokalen um, in denen wir essen können, und sucht nach Dingen, die wir unternehmen können. Ich glaube, das hilft ihr, sich schneller einzuleben.
    Sie hat Tybalt aus der Transportbox gelassen, er sitzt jetzt auf ihrer Schulter, hat den Schwanz um ihren Hals geringelt und würdigt mich keines Blickes. Er ist ein halber Siamese, und wie alle Katzen seiner Art neigt er dazu, einen einzigen Menschen anzubeten, während ihm alle anderen den Buckel hinunterrutschen können. Nicht, dass es mir etwas ausmacht. Ich mag es, wenn er mich anfaucht und mich kratzen will. Und ab und zu, wenn er ein Gespenst vor mir bemerkt, ist er sogar ganz brauchbar.
    Meine Mom starrt die Wolken an und summt etwas, das kein richtiges Lied ist. Ihr Lächeln ist dem der Katze verblüffend ähnlich.
    »Woher die gute Laune?«, frage ich. »Ist dir noch nicht der Hintern eingeschlafen?«
    »Der schläft schon seit Stunden«, erwidert sie. »Aber ich glaube, ich werde Thunder Bay mögen, und wenn ich mir die Wolken so ansehe, werde ich es wohl eine ganze Weile mögen.«
    Ich blicke nach oben. Die Wolken sind riesig und reinweiß. Sie hängen totenstill am Himmel, und wir fahren mitten hinein. Ohne zu blinzeln starre ich sie an, bis mir die Augen austrocknen. Sie rühren sich nicht.
    »Wir fahren in unbewegliche Wolken hinein«, flüstert sie. »Es wird länger dauern, als du erwartest.«
    Ich würde ihr gern antworten, dass sie abergläubisch ist und dass es überhaupt nichts zu bedeuten hat, wenn Wolken sich nicht rühren. Außerdem bewegen sie sich natürlich doch, wenn man sie nur lange genug beobachtet. Aber wenn ich Einwände erhebe, mache ich mich zum Heuchler. Schließlich lasse ich sie mein Messer bei Mondlicht in Salz reinigen.
    Beim Anblick der stehenden Wolken wird mir aus irgendeinem Grund übel, also betrachte ich wieder den Wald, diesen dichten Teppich aus Kiefern, die grün, braun und rostrot gefärbt sind. Hin und wieder ragt eine Birke daraus empor wie ein dürrer Knochen. Auf solchen Reisen bin ich normalerweise besser gelaunt. Die Vorfreude auf eine neue Stadt, auf einen neuen
Geist, den ich jagen kann, auf neue Dinge, die ich sehen werde … Diese Aussichten halten mich sonst eigentlich immer während der Fahrt bei Laune. Aber vielleicht bin ich auch nur müde. Ich schlafe nicht viel, und wenn ich schlafe, dann habe ich meistens Albträume. Aber ich will nicht jammern. Die Albträume haben eingesetzt, als ich den Athame das erste Mal benutzt habe. Das ist wohl ein Berufsrisiko. Das Unterbewusstsein arbeitet sich nachts durch die Ängste, die ich eigentlich verspüren müsste, wenn ich die mordlüsternen Geister aufsuche. Trotzdem, ich muss mich ausruhen. In der Nacht nach einer erfolgreichen Jagd sind die Träume immer besonders

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