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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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gehört hatte oder nicht hatte hören wollen – sie schien zu straucheln, stampfte
    zweimal mit dem Füßchen auf und lief eilig von ihm fort. Sie lief zu Mademoiselle Linon hin, sagte ihr etwas und
    schlug dann die Richtung nach dem Häuschen ein, wo die Damen sich die Schlittschuhe an- und abschnallen ließen.
    ›Mein Gott, was habe ich getan! Herr, mein Gott! Steh mir bei; gib mir ein, was ich tun soll!‹ betete Ljewin im
    stillen. Und da er gleichzeitig ein Bedürfnis nach starker Bewegung empfand, so nahm er einen Anlauf und beschrieb
    Spiralen nach außen und nach innen zu.
    In diesem Augenblick trat ein junger Mann, der beste der neueren Schlittschuhläufer, mit einer Zigarette im
    Munde und Schlittschuhen an den Füßen aus dem Kaffeehäuschen heraus, nahm einen Anlauf und sprang auf den
    Schlittschuhen mit Gepolter die Treppenstufen hinab. Unten angelangt, glitt er, ohne auch nur die ungezwungene
    Haltung der Arme zu verändern, auf dem Eise dahin.
    »Aha, das ist ein neues Kunststück«, sagte Ljewin und lief sofort nach oben, um es gleichfalls auszuführen.
    »Brechen Sie sich nicht den Hals! Das muß man geübt haben!« rief ihm Nikolai Schtscherbazki zu.
    Ljewin stieg die Stufen hinan, nahm oben einen möglichst großen Anlauf und sprang hinunter, wobei er sich bei
    der ungewohnten Bewegung mit den Armen im Gleichgewicht hielt. Bei der letzten Stufe strauchelte er; jedoch
    berührte er das Eis dabei kaum mit der Hand; durch eine kräftige Bewegung brachte er sich wieder in die Höhe und
    lief lachend auf den Schlittschuhen über die Eisfläche weiter.
    ›Ein lieber, prächtiger Mensch‹, dachte Kitty, die in diesem Augenblicke mit Mademoiselle Linon aus dem Häuschen
    heraustrat und mit einem stillen, freundlichen Lächeln nach ihm wie nach einem lieben Bruder hinblickte. ›Bin ich
    wirklich schuld? Habe ich denn etwas Schlimmes getan? Die Leute reden immer von Gefallsucht. Ich weiß, daß ich ihn
    nicht liebe; aber doch macht mir das Zusammensein mit ihm soviel Vergnügen, und er ist ein so prächtiger Mensch.
    Aber warum hat er das nur gesagt?‹ dachte sie.
    Als Ljewin sah, daß Kitty und ihre Mutter, die auf den Stufen mit ihr zusammengetroffen war, von der Eisbahn
    weggingen, blieb er, ganz rot von der schnellen Bewegung, stehen und überlegte. Er schnallte die Schlittschuhe ab
    und holte Mutter und Tochter am Ausgange des Gartens ein.
    »Ich freue mich sehr, Sie wiederzusehen«, sagte die Fürstin. »Unser Empfangstag ist immer noch der
    Donnerstag.«
    »Also heute?«
    »Wir werden sehr erfreut sein, Sie bei uns zu sehen«, erwiderte die Fürstin in trockenem Tone.
    Diesen trockenen Ton empfand Kitty peinlich, und sie konnte sich des Verlangens nicht erwehren, das kühle Wesen
    der Mutter wiedergutzumachen. Daher wandte sie den Kopf zu Ljewin zurück und sagte lächelnd:
    »Auf Wiedersehen!«
    Zu derselben Zeit war Stepan Arkadjewitsch, den Hut schief auf dem Kopfe, mit strahlendem Gesichte und
    blitzenden Augen, wie ein froher Sieger, im Garten erschienen. Aber als er seiner Schwiegermutter begegnete,
    beantwortete er mit trauriger, bedrückter Miene deren Fragen nach Dollys Gesundheit. Er führte dieses Gespräch mit
    leiser Stimme und in niedergeschlagener Haltung; aber sobald die Damen weggefahren waren, richtete er sich wieder
    selbstbewußt auf und faßte Ljewin unter den Arm.
    »Nun, wie ist's? Wollen wir fahren?« fragte er. »Ich habe fortwährend an dich gedacht und bin sehr froh, daß du
    hierher nach der Eisbahn gekommen bist«, sagte er und blickte ihm bedeutsam in die Augen.
    »Schön, schön, fahren wir!« antwortete der glückliche Ljewin, dem immer noch so war, als höre er den Ton der
    Stimme, die zu ihm ›Auf Wiedersehen!‹ gesagt hatte, und als sähe er das Lächeln, mit dem diese Worte gesprochen
    worden waren.
    »Nach dem Hotel d'Angleterre oder nach der Eremitage?«
    »Mir ganz gleich.«
    »Na, dann nach dem Hotel d'Angleterre«, entschied Stepan Arkadjewitsch.
    Er wählte dieses Restaurant deswegen, weil er da mehr schuldig war als in der Eremitage. Aus diesem Grunde hielt
    er es für unpassend, dieses Hotel zu meiden. »Hast du eine Droschke? Das ist ja vortrefflich; ich habe nämlich
    meinen Wagen wieder nach Hause geschickt.«
    Während der ganzen Fahrt schwiegen die beiden Freunde. Ljewin dachte darüber nach, was jener Wechsel des
    Ausdrucks auf Kittys Gesicht wohl zu bedeuten gehabt habe, und gab sich bald dem Glauben hin, daß er hoffen dürfe,
    bald geriet er

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