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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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draußen noch ganz hell; aber in dem kleinen Salon der Gräfin Lydia Iwanowna waren die Vorhänge
    herabgelassen und die Lampen angezündet.
    An einem runden Tisch mit einer Hängelampe saßen die Gräfin und Alexei Alexandrowitsch in leisem Gespräch
    miteinander. Ein kleiner, schmächtiger Mensch mit weiblicher Beckenbildung und nach innen gebogenen Knien, sehr
    blaß, von hübscher Gesichtsbildung, mit schönen, glänzenden Augen und mit langen Haaren, die ihm auf dem Rockkragen
    lagen, stand am anderen Ende des Zimmers und betrachtete die an der Wand hängenden Bildnisse.
    Nach der Begrüßung mit der Hausfrau und mit Alexei Alexandrowitsch blickte Stepan Arkadjewitsch unwillkürlich
    noch einmal nach dem Unbekannten.
    »Monsieur Landau!« wandte sich die Gräfin an diesen in einem so weichen, behutsamen Ton, daß Oblonski ganz
    überrascht war. Sie stellte die beiden einander vor.
    Landau, der sich schnell umgewendet hatte und näher herangekommen war, legte lächelnd seine regungslose,
    schweißfeuchte Hand in die ihm entgegengestreckte Hand Stepan Arkadjewitschs, trat dann aber sogleich wieder weg
    und fuhr fort, die Bildnisse anzusehen. Die Gräfin und Alexei Alexandrowitsch wechselten miteinander bedeutsame
    Blicke.
    »Ich freue mich sehr, Sie wiederzusehen, und ganz besonders heute«, sagte die Gräfin Lydia Iwanowna zu Stepan
    Arkadjewitsch und wies ihm einen Platz neben Karenin an.
    »Ich habe ihn Ihnen unter dem Namen Landau vorgestellt«, sagte sie leise, indem sie nach dem Franzosen blickte
    und dann sofort Alexei Alexandrowitsch ansah, »aber er heißt eigentlich Graf Bessubow, wie Sie wahrscheinlich
    wissen. Nur hört er diesen Titel nicht gern.«
    »Ja, ich habe es gehört«, antwortete Stepan Arkadjewitsch. »Man sagt, er habe die Gräfin Bessubowa vollständig
    geheilt.«
    »Sie war heute bei mir; sie hat mir furchtbar leid getan!« wandte sich die Gräfin an Alexei Alexandrowitsch.
    »Diese Trennung ist für sie etwas Entsetzliches. Das ist ein schwerer Schlag für sie!«
    »Ist seine Abreise denn endgültig beschlossen?« fragte Alexei Alexandrowitsch.
    »Ja, er fährt nach Paris. Er hat gestern eine Stimme gehört«, sagte die Gräfin Lydia Iwanowna und blickte dabei
    Stepan Arkadjewitsch an.
    »Ach, eine Stimme!« sprach Oblonski ihr nach; er sagte sich, daß er in dieser Gesellschaft möglichst vorsichtig
    sein müsse, wo etwas vorgehe oder vorgehen solle, wozu er noch keinen Schlüssel habe.
    Es trat ein Stillschweigen ein, das wohl eine Minute dauerte. Dann sagte die Gräfin Lydia Iwanowna, wie wenn sie
    nun zum Hauptgegenstand des Gesprächs überginge, mit einem feinen Lächeln zu Oblonski:
    »Ich kenne Sie schon lange und freue mich recht, Sie nun noch näher kennenzulernen. Les amis de nos amis sont
    nos amis. 1 Aber um ein wahrer Freund zu sein, muß
    man sich in den Seelenzustand des Freundes versetzen, und ich fürchte, daß Sie das bei Alexei Alexandrowitsch nicht
    tun. Sie verstehen, wovon ich rede«, fügte sie hinzu und schlug ihre schönen, schwärmerischen Augen zu ihm auf.
    »Ich verstehe zum Teil, Gräfin, daß Alexei Alexandrowitschs Lage ...«, erwiderte Oblonski, der nicht recht
    wußte, was sie eigentlich meinte, und sich daher auf allgemeine Wendungen beschränken wollte.
    »In seiner äußeren Lage ist keine Veränderung eingetreten«, versetzte die Gräfin Lydia Iwanowna in strengem Tone
    und verfolgte gleichzeitig mit einem verliebten Blick Alexei Alexandrowitsch, der aufgestanden war und zu Landau
    hinging. »Sein Herz hat eine Umwandlung durchgemacht, es ist ihm ein neues Herz gegeben worden, und ich fürchte,
    daß Sie sich nicht völlig in die Veränderung hineingedacht haben, die mit ihm vorgegangen ist.«
    »Das heißt, in allgemeinen Zügen vermag ich mir diese Veränderung doch vorzustellen. Wir sind immer befreundet
    gewesen, und jetzt ...«, sagte Stepan Arkadjewitsch und erwiderte den Blick der Gräfin seinerseits mit einem
    zärtlichen Blicke. Er überlegte dabei auch, welchem der beiden Minister sie wohl näherstehen möge, um zu wissen,
    bei welchem von ihnen er sie um ihre Fürsprache bitten solle.
    »Durch die Veränderung, die mit ihm vorgegangen ist, kann in seinem Herzen das Gefühl der Nächstenliebe nicht
    abgeschwächt werden, sondern es muß im Gegenteil dadurch notwendig noch zunehmen. Aber ich fürchte, daß Sie mich
    nicht verstehen. Ist Ihnen nicht Tee gefällig?« fragte sie und deutete mit den Augen auf den Diener, der auf einem
    Tablett

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