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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Bienenwärter an.
    Der schöne alte Mann mit dem schwarz und grau gesprenkelten Barte und dem dichten, silberweißen Haupthaar stand
    da, ohne sich zu rühren, und blickte, eine Schüssel mit Honig in der Hand haltend, freundlich und ruhig von der
    Höhe seines Wuchses auf die Herrschaften herab, von deren Gespräch er offenbar nichts verstand und nichts zu
    verstehen wünschte.
    »Ganz gewiß«, sagte er, bedeutsam mit dem Kopfe nickend, auf Sergei Iwanowitschs Worte.
    »Nun, dann fragt ihn doch einmal. Er weiß nichts davon und denkt nichts darüber«, sagte Ljewin. »Hast du wohl
    vom Kriege gehört, Michailütsch?« wandte er sich an den Alten. »Ich meine, was in der Kirche vorgelesen wurde? Wie
    denkst du darüber? Müssen wir für die Christen in den Krieg ziehen?«
    »Wozu brauchen wir darüber nachzudenken? Unser Kaiser Alexander Nikolajewitsch hat bisher für uns gedacht und
    wird auch weiter für uns in allen Dingen denken. Er versteht das besser ... Soll ich noch ein bißchen Brot bringen?
    Vielleicht noch für das junge Herrchen?« wandte er sich an Darja Alexandrowna und wies auf Grigori, der dabei war,
    den Rest seiner Brotrinde zu verzehren.
    »Ich brauche da nicht erst zu fragen«, sagte Sergei Iwanowitsch. »Hunderte und Hunderte von Menschen haben wir
    gesehen und sehen wir noch täglich, die alles stehen- und liegenlassen, um der gerechten Sache zu dienen, die von
    allen Enden Rußlands herbeikommen und offen und klar ihre Gedanken und ihre Absichten aussprechen. Sie bringen
    ihren Geldbetrag oder ziehen selbst mit und sagen frei und offen, warum sie das tun. Woher kommt das alles?«
    »Meiner Ansicht nach«, erwiderte Ljewin, der nun anfing, hitzig zu werden, »kommt das daher, daß sich in einem
    Volke von achtzig Millionen immer nicht nur Hunderte wie jetzt, sondern viele, viele Tausende von Menschen finden
    werden, die ihre soziale Stellung eingebüßt haben, Ausweglose, die immer zu allem bereit sind: in eine
    Pugatschewsche Bande einzutreten oder nach Chiwa oder Serbien ins Feld zu ziehen ...«
    »Aber ich kann dir sagen, daß es sich nicht um einige Hunderte handelt und nicht um Ausweglose, sondern um die
    besten Vertreter des Volkes!« versetzte Sergei Iwanowitsch in einer Erregung, als ob er das letzte Stück seines
    Besitztums verteidigte. »Und die Geldspenden? Da liegt es doch auf der Hand, daß das ganze Volk seinen Willen
    bekundet.«
    »›Volk‹ ist ein sehr unbestimmter Begriff«, entgegnete Ljewin. »Die Gemeindeschreiber, die Lehrer und von den
    Bauern vielleicht einer unter tausend, die mögen wissen, worum es sich handelt. Die übrigen achtzig Millionen
    dagegen, so wie mein Michailütsch da, bekunden ihren Willen nicht, ja sie haben überhaupt nicht den geringsten
    Begriff davon, worüber sie ihren Willen bekunden sollen. Welches Recht haben wir also, zu sagen, daß das der Wille
    des Volkes sei?«

16
    Mit der ihm eigenen Gewandtheit im Reden leitete Sergei Iwanowitsch, ohne etwas auf die Behauptung des Gegners
    zu erwidern, sofort das Gespräch auf ein anderes Gebiet hinüber.
    »Ja, wenn du den Volksgeist auf arithmetischem Wege erkennen willst, so wird es dir selbstverständlich sehr
    schwer sein, zum Ziele zu gelangen. Eine allgemeine Abstimmung ist bei uns nicht eingeführt, und es wäre auch
    zwecklos, sie einzuführen, da sie den Willen des Volkes nicht zum Ausdruck bringt. Aber um diesen zu erkennen,
    dafür gibt es andere Wege. Das spürt man in der Luft, das fühlt man mit dem Herzen. Ich will jetzt gar nicht einmal
    von jenen Strömungen reden, die sich in den tieferen Schichten unseres sonst einem ruhigen Meere gleichenden Volkes
    in Bewegung gesetzt haben und die niemandem, der frei von Voreingenommenheit ist, entgehen können; aber blicke auf
    das hin, was man im engeren Sinne die Gesellschaft nennt. Alle die so verschiedenartigen Parteien, die es in den
    Schichten der Gebildeten gibt und die sich früher so arg befehdeten, sind jetzt in eins zusammengeflossen. Aller
    Hader hat aufgehört; alle Zeitungen der gebildeten Gesellschaft sagen ein und dasselbe; alle spüren sie die
    unmittelbare Gewalt, die sie erfaßt hat und sie alle in einer Richtung dahinträgt.«
    »Ja, die Zeitungen sagen alle ein und dasselbe«, sagte der Fürst. »Das ist schon richtig. Alle stimmen sie
    dasselbe Lied an, wie die Frösche vor dem Gewitter. Bei dem Lärm, den sie vollführen, ist gar nichts anderes mehr
    zu hören.«
    »Nun, über die Ähnlichkeit mit den Fröschen will ich

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