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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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freundschaftlichen und namentlich ungezwungenen Verhältnis zu seinem Bruder
    fühlte Ljewin, daß es ihm unbehaglich war, ihn anzusehen. Er schlug die Augen nie der und wußte nicht, was er sagen
    sollte.
    Er suchte nach einem Gesprächsstoff, der seinem Bruder angenehm wäre und ihn von den Erörterungen über den
    serbischen Krieg und die slawische Frage ablenken könnte, auf die er hingedeutet hatte, als er seine vielen
    Geschäfte in Moskau erwähnte. Endlich begann er von Sergei Iwanowitschs Buch zu reden.
    »Nun, wie steht es? Sind Besprechungen deines Buches erschienen?« fragte er.
    Sergei Iwanowitsch lächelte über die Absichtlichkeit der Frage.
    »Niemand beschäftigt sich jetzt mit diesem Gegenstand, und ich noch weniger als alle anderen«, erwiderte er.
    »Sehen Sie einmal dahin, Darja Alexandrowna, wir werden Regen bekommen«, fügte er hinzu und zeigte mit dem Schirm
    nach einigen weißen Wolken, die über den Wipfeln der Espen sichtbar wurden.
    Und diese Worte genügten, um jenes zwar nicht feindselige, aber doch kühle wechselseitige Verhältnis zwischen
    den Brüdern, das Ljewin so lebhaft zu vermeiden wünschte, wieder hervorzurufen.
    Ljewin trat zu Katawasow heran.
    »Das war ein guter Gedanke von Ihnen, uns zu besuchen«, sagte er zu ihm.
    »Ich hatte es schon lange vor. Nun wollen wir aber einmal ordentlich miteinander disputieren; passen Sie mal
    auf. Haben Sie Spencer gelesen?«
    »Nein, ich bin damit nicht bis zu Ende gekommen«, antwortete Ljewin. »Übrigens bedarf ich seiner jetzt
    nicht.«
    »Wieso? Das ist mir interessant zu hören. Weshalb denn nicht?«
    »Ich bin nämlich zu der endgültigen Überzeugung gelangt, daß ich die Lösung der Fragen, die mich beschäftigen,
    bei ihm und seinesgleichen doch nicht finden werde. Jetzt ...«
    Aber auf einmal wurde er auf Katawasows ruhigen, vergnügten Gesichtsausdruck aufmerksam; auch um seine eigene
    gute Stimmung war es ihm leid, die er sich durch dieses Gespräch sicherlich verderben würde. So brach er denn, des
    vorhin gefaßten Vorsatzes eingedenk, ab.
    »Aber davon wollen wir später sprechen«, fügte er hinzu. »Wenn wir nach dem Bienengarten gehen wollen, müssen
    wir hier gehen, diesen Fußweg«, sagte er, zu allen gewendet.
    Als sie auf dem schmalen Fußpfade zu einer ungemähten Waldwiese gelangt waren, die an der einen Seite dicht mit
    hellen Stiefmütterchen bedeckt war, zwischen denen vielfach hohe, dunkle Büsche von Nieswurz hervorwuchsen, ließ
    Ljewin seine Gäste in dem dichten, frischen Schatten der jungen Espen auf einer Bank und auf Holzklötzen Platz
    nehmen, die dort eigens für solche Besucher des Bienengartens an gebracht waren, die sich vor den Bienen
    fürchteten, und ging selbst zur Einfriedigung hin, um für die Kinder und die Erwachsenen Brot, Gurken und frischen
    Honig zu holen.
    Indem er sich Mühe gab, sich möglichst ruhig und langsam zu bewegen, und nach den immer häufiger an ihm
    vorbeifliegenden Bienen hinhorchte, gelangte er auf dem Fußwege bis zu dem Blockhause. Dicht am Hausflur
    verwickelte sich eine Biene in seinem Bart und fing zornig zu summen an; aber er machte sie behutsam los.
    Nachdem er in den schattigen Flur getreten war, nahm er sein Netz von der Wand, das dort an einem Holzpflock
    hing, zog es über, steckte die Hände in die Taschen und ging in den eingefriedigten Bienenstand hinein, wo in
    regelmäßigen Reihen, mit Bast an Pfählen angebunden, mitten auf einem abgemähten Fleck die alten Bienenstöcke
    standen, die ihm alle wohlbekannt waren und von denen ein jeder seine besondere Geschichte hatte. An den Wänden des
    geflochtenen Zaunes entlang standen die jungen, erst in diesem Jahre aufgestellten Stöcke. Vor den Fluglöchern der
    Bienenstöcke flimmerten, teils umherschwirrend, teils an einer Stelle sich zusammendrängend, spielende Bienen und
    Drohnen, und zwischen ihnen hindurch flogen, alle in derselben Richtung nach dem Walde hin zu der blühenden Linde
    und zurück zu den Stöcken, die Arbeitsbienen, die einen mit Ladung heimkehrend, die anderen ausziehend, um Ladung
    zu holen.
    In den Ohren ertönten einem fortwährend eine Menge verschiedenartiger Geräusche, bald von den eifrigen, eilig
    vorbeifliegenden Arbeitsbienen, bald von den blasenden, müßigen Drohnen, bald von den aufgeregten Wächterbienen,
    die ihr Besitztum gegen Feinde zu verteidigen willens waren und sich fertigmachten zu stechen. Auf der anderen
    Seite des Zaunes schnitzte der alte Bienenwärter an einem

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