Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)
städtischen Unannehmlichkeiten bedeute, daß das Leben dort, wenn auch nicht unterhaltsam (darüber tröstete sich Dolly leicht), so doch dafür billig und bequem sei: man habe da alles, es sei alles billig, alles könne man sich verschaffen, und es tue den Kindern gut. Aber jetzt, wo sie als Hausfrau auf das Land kam, sah sie, daß die Dinge ganz anders lagen, als sie gedacht hatte.
Am Tage nach ihrer Ankunft kam ein gehöriger Platzregen, und in der Nacht kam das Wasser auf dem Vorflur und im Kinderzimmer durch die Decke, so daß die Bettchen in die Wohnstube hinübergetragen werden mußten. Eine Gesindeköchin war nicht vorhanden; von den neun Kühen waren nach Aussage der Viehmagd einige noch Färsen, andere waren mit dem ersten Kalbe trächtig, wieder andere waren schon zu alt oder auch harteutrig. Weder Butter noch Milch war in genügender Menge vorhanden, nicht einmal für die Kinder. Eier gab es nicht. Eine Henne war nirgends zu bekommen; zum Braten und Kochen wurden alte, zähe Hähne mit violettem Fleisch verwendet. Weiber zum Scheuern waren nicht zu haben; sie hatten alle auf den Kartoffelfeldern zu tun. Spazierenzufahren war unmöglich, weil das Deichselpferd stätisch war und in der Gabeldeichsel ausschlug. Auch zum Baden war nirgends eine Möglichkeit; das ganze Ufer des Flusses war vom Vieh zerstampft und lag nach der Landstraße hin frei da. Man konnte nicht einmal im Garten spazierengehen, weil das Vieh durch den zerbrochenen Zaun in den Garten hineinkam, darunter auch ein furchtbarer Stier, der entsetzlich brüllte und von dem man sich daher wohl auch versehen konnte, daß er stieß. Ordentliche Kleiderschränke gab es nicht; die, die da waren, ließen sich nicht zumachen und öffneten sich von selbst, wenn jemand an ihnen vorbeiging. Es mangelte an eisernen und irdenen Kochtöpfen; desgleichen fehlte ein Waschkessel; und in der Mädchenstube fand sich nicht einmal ein Plättbrett.
Als Darja Alexandrowna in dieses von ihrem Standpunkte aus furchtbare Elend hineingeraten war, befand sie sich in der ersten Zeit, statt Ruhe und Erholung zu finden, geradezu in Verzweiflung: sie quälte und plackte sich, soweit ihre Kraft nur irgend reichte; sie fühlte, daß es aus dieser Lage keine Rettung gab, und mußte fortwährend die Tränen zurückdrängen, die ihr in die Augen traten. Der Verwalter, ein ehemaliger Wachtmeister, an dem Stepan Arkadjewitsch wegen seines hübschen Äußeren und seines achtungsvollen Benehmens Gefallen gefunden und den er deshalb vom Pförtner zum Verwalter befördert hatte, zeigte für Darja Alexandrownas Nöte keinerlei Teilnahme; er sagte nur achtungsvoll: »Es ist nichts zu machen; die Leute sind gar zu unbrauchbar«, und leistete ihr nicht die geringste Hilfe.
Die Lage schien hoffnungslos. Aber es gab im Oblonskischen Hause wie in vielen Familien eine wenig hervortretende und doch sehr wichtige und nützliche Persönlichkeit; und das war hier Matrona Filimonowna. Sie beruhigte ihre Herrin, versicherte ihr, es werde sich alles schon wieder »einrenken« (das war ein Lieblingsausdruck bei ihr, und von ihr hatte ihn Matwei erst übernommen), und griff selbst ohne Hast und Aufregung wacker mit zu.
Sie hatte sich sofort an die Frau des Verwalters herangemacht und gleich am ersten Tage mit ihr und dem Verwalter unter den Akazien Tee getrunken und alle möglichen Wirtschaftsangelegenheiten durchgesprochen. Bald bildete sich unter den Akazien ein von Matrona Filimonowna geleiteter Klub, und durch diesen Klub, dessen Mitglieder die Frau des Verwalters, der Dorfschulze und der Gutsschreiber waren, wurden allmählich die Schwierigkeiten des Daseins behoben, und nach einer Woche hatte sich tatsächlich alles »eingerenkt«. Das Dach war ausgebessert, eine Gevatterin des Dorfschulzen als Köchin angenommen; Hühner waren gekauft; die Kühe hatten angefangen Milch zu geben; die Lücken des Gartenzaunes waren durch Stangen geschlossen; der Zimmermann hatte eine Wäschemangel angefertigt; an den Schränken waren Vorlegehaken angebracht, so daß sie sich nicht mehr von selbst öffneten, und ein Plättbrett, mit Zeug von einem Soldatenmantel bezogen, ruhte nun mit dem einen Ende auf einer Stuhllehne, mit dem andern auf einer Kommode, und in der Mädchenstube hatte es angefangen, nach heißen Plätteisen zu riechen.
»Na, sehen Sie wohl? Und Sie waren schon ganz in Verzweiflung«, sagte Matrona Filimonowna, stolz auf das Plättbrett weisend.
Sogar ein Badehäuschen
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