Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)
etwas matt geworden war, auf dem Hofe auf eine Bank und begann dem Rittmeister Jaschwin Rußlands Überlegenheit über Preußen, namentlich in der Kavallerieattacke, auseinanderzusetzen, und die Trinker verhielten sich eine kurze Zeit ruhig. Serpuchowskoi ging ins Haus, ins Ankleidezimmer, um sich die Hände zu waschen, und fand dort Wronski, der sich mit Wasser bespülte. Er hatte die Litewka ausgezogen, hielt seinen haarigen, roten Hals unter den Wasserstrahl der Wascheinrichtung und rieb Hals und Kopf kräftig mit den Händen. Als er mit dieser Waschung fertig war, setzte er sich zu Serpuchowskoi gleich dort im Ankleidezimmer auf ein kleines Sofa, und es entspann sich nun zwischen ihnen ein Gespräch, das sie beide sehr interessierte.
»Ich habe stets genaue Nachrichten über dich durch meine Frau erhalten«, sagte Serpuchowskoi. »Ich freue mich sehr, daß du sie öfters besucht hast.«
»Sie ist mit Warja befreundet, und das sind die beiden einzigen Damen in Petersburg, mit denen es mir Vergnügen macht zu verkehren«, antwortete Wronski lächelnd. Er lächelte, weil er vorausgesehen hatte, welchem Thema sich das Gespräch zuwenden würde, und freute sich, dies richtig beurteilt zu haben.
»Die einzigen?« fragte Serpuchowskoi lächelnd.
»Auch ich habe viel von dir gehört, aber nicht durch deine Frau«, versetzte Wronski und wies durch die ernste Miene, die er auf einmal machte, diese Anspielung zurück. »Ich habe mich sehr über deinen Erfolg gefreut; aber ich habe mich darüber in keiner Weise gewundert; ich hatte sogar noch mehr erwartet.«
Serpuchowskoi lächelte. Es machte ihm offenbar Vergnügen, ein solches Urteil über sich zu hören, und er hielt nicht für nötig, das zu verbergen.
»Ich habe, im Gegenteil, offen gestanden, weniger erwartet. Aber ich freue mich, sehr freue ich mich. Ich bin ehrgeizig; das ist eine Schwäche von mir, deren ich mich schuldig bekenne.«
»Vielleicht würdest du sie nicht bekennen, wenn du keinen Erfolg gehabt hättest«, erwiderte Wronski.
»Das mag wohl sein«, antwortete Serpuchowskoi wieder lächelnd. »Ich will nicht sagen, daß es sich ohne Ehrgeiz überhaupt nicht verlohnte zu leben; aber es wäre dann doch eine langweilige Sache. Natürlich kann ich mich darin vielleicht irren, aber ich möchte doch meinen, daß ich eine gewisse Befähigung für den Wirkungskreis besitze, den ich mir ausgewählt habe, und daß die Macht zu wirken – wieviel auch immer mir davon zufallen mag, wenn mir überhaupt etwas davon zufällt – besser in meinen Händen ruhen wird als in den Händen vieler anderer Leute, die ich kenne«, sagte Serpuchowskoi, strahlend im Bewußtsein seines Erfolges. »Und darum bin ich um so zufriedener, je näher ich einem Platze komme, der mir eine größere Wirksamkeit gestattet.«
»Das ist vielleicht für dich zutreffend, aber nicht für alle. Ich habe früher ebenso gedacht; aber nun lebe ich so ganz einfach dahin und finde, daß es nicht lohnt, lediglich für den Ehrgeiz zu leben«, entgegnete Wronski.
»Du haben wir's, da haben wir's!« antwortete Serpuchowskoi lachend. »Ich habe bereits gehört, was du getan hast, daß du eine Stelle abgelehnt hast ... Selbstverständlich hattest du dabei meinen Beifall. Aber es hat doch alles so seine besondere Art, in der es getan sein will. Und da glaube ich, daß der Schritt, den du getan hast, an sich gut war, daß du ihn aber nicht in zweckmäßiger Weise getan hast.«
»Was getan ist, ist getan, und du weißt, ich verleugne nie etwas, was ich einmal getan habe. Und dann befinde ich mich ja auch durchaus wohl dabei.«
»Durchaus wohl – eine Zeitlang. Aber lebenslänglich wird dir das keine Befriedigung gewähren. Deinem Bruder würde ich das nicht sagen. Der ist ein artiges Kind, so wie unser Wirt hier. Da muß er sein!« fügte er hinzu, auf das Hurrarufen horchend. »Er fühlt sich dabei wohl; aber dich kann das nicht befriedigen.«
»Das sage ich ja auch nicht, daß mich das befriedigt.«
»Ja, und das ist noch nicht alles. Solche Leute wie dich haben wir nötig.«
»Wer hat sie nötig?«
»Wer sie nötig hat? Der Staat, Rußland. Rußland hat solche Leute nötig, eine Partei von solchen Leuten; sonst geht bei uns alles in die Brüche.«
»Was meinst du damit? Die Bertenewsche Partei zur Bekämpfung der russischen Kommunisten?«
»Nein«, antwortete Serpuchowskoi und runzelte die Stirn vor Ärger darüber, daß
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