Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)
geschaffen), so konnte er keinen Neid gegen Serpuchowskoi empfinden und sich auch nicht darüber ärgern, daß dieser bei dem Besuche, den er dem Regimente machte, nicht zuallererst zu ihm gekommen war. Serpuchowskoi war sein guter Freund, und er freute sich aufrichtig darauf, ihn wiederzusehen.
»Oh, das freut mich aber wirklich.«
Der Regimentskommandeur Demin bewohnte ein großes, herrschaftliches Haus. Die ganze Gesellschaft befand sich auf der geräumigen Terrasse. Auf dem Hofe waren das erste, was Wronski auffiel, die Regimentssänger, die in Kitteln bei einem Schnapsfäßchen standen, und die gesunde, fröhliche Gestalt des Regimentskommandeurs, der von Offizieren umgeben war. Er war gerade auf die erste Stufe der Terrasse vorgetreten, gab mit einer so lauten Stimme, daß er die von der Musik gespielte Offenbachsche Quadrille übertönte, einen Befehl und winkte einigen etwas zur Seite stehenden Soldaten mit der Hand. Dieser kleine Trupp Soldaten, darunter ein Wachtmeister und einige Unteroffiziere, ging zusammen mit Wronski zu der Terrasse hin. Der Regimentskommandeur ging zum Tische zurück, trat dann mit einem Sektglase in der Hand wieder an die Freitreppe hinaus und brachte einen Trinkspruch aus: »Auf die Gesundheit unseres früheren Kameraden, des tapferen Generals Fürsten Serpuchowskoi! Hurra!«
Nach dem Regimentskommandeur trat mit dem Glase in der Hand auch Serpuchowskoi lächelnd vor.
»Du wirst ja immer jünger, Bondarenko«, wendete er sich an den gerade vor ihm stehenden strammen, rotbackigen Wachtmeister, der über seine Zeit hinaus beim Regimente weiterdiente.
Wronski hatte seinen Freund drei Jahre lang nicht gesehen. Dieser war in seiner äußeren Erscheinung männlicher geworden, schon durch den Backenbart, den er sich hatte stehenlassen; aber er war noch ebenso schlank und überraschte noch ganz wie früher nicht sowohl durch Schönheit wie durch die Zartheit und Vornehmheit seiner Gesichtszüge und seines Körperbaues. Die einzige Veränderung, die Wronski an ihm bemerkte, war jenes stille, beständige Leuchten, das auf den Gesichtern solcher Leute heimisch zu sein pflegt, die im Leben Erfolg haben und überzeugt sind, daß alle diesen Erfolg als wohlverdient anerkennen. Wronski kannte dieses Leuchten, und es fiel ihm sofort bei Serpuchowskoi auf.
Als Serpuchowskoi die Treppe herunterstieg, erblickte er Wronski, und ein frohes Lächeln erhellte sein Gesicht. Er nickte ihm durch eine Bewegung des Kopfes nach oben zu und erhob das Glas, indem er Wronski begrüßte und zugleich durch diese Geste andeutete, daß er unbedingt zuerst zu dem Wachtmeister hingehen müsse, der in strammer dienstlicher Haltung dastand und schon seine Lippen für den erwarteten Kuß in Bereitschaft setzte.
»Na, da ist er ja!« rief der Regimentskommandeur. »Und Jaschwin hatte mir schon gesagt, du wärst wieder mal in deiner finsteren Stimmung!«
Serpuchowskoi küßte den forschen Wachtmeister auf die feuchten, frischen Lippen, wischte sich den Mund mit dem Taschentuche ab und trat zu Wronski.
»Na, das ist mir mal eine Freude!« sagte er, drückte ihm die Hand und führte ihn ein wenig zur Seite.
»Sorgt für sein leibliches Wohl!« rief der Regimentskommandeur dem Rittmeister Jaschwin zu, indem er auf Wronski deutete, und ging zu den Soldaten hinunter.
»Warum warst du gestern nicht beim Rennen?« fragte Wronski, während er Serpuchowskoi mit lebhaftem Interesse betrachtete. »Ich hatte gehofft, dich da zu sehen.«
»Ich bin dagewesen, kam aber erst ziemlich spät. Entschuldige«, fügte er hinzu und wandte sich zu seinem Adjutanten: »Bitte, lassen Sie dies in meinem Namen unter die Leute verteilen, soviel wie auf den Mann kommt.«
Er holte eilig aus seiner Brieftasche drei Hundertrubelscheine heraus und wurde ganz rot dabei.
»Wronski! Möchtest du etwas essen oder trinken?« fragte Jaschwin. »Heda! Bring mal für den Grafen etwas zu essen her! Und hier, nimm, trink!«
Das Trinkgelage bei dem Regimentskommandeur zog sich recht lange hin.
Es wurde sehr viel getrunken. Die Offiziere schaukelten, als besondere Ehrenbezeigung, Serpuchowskoi auf den Armen, warfen ihn in die Höhe und fingen ihn wieder auf. Dann wurde dem Regimentskommandeur dieselbe Ehre erwiesen. Dann tanzte der Regimentskommandeur selbst mit Petrizki nach einer von den dabeistehenden Regimentssängern gesungenen Weise. Dann setzte sich der Regimentskommandeur, der schon
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