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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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Geschäfte erledigt hatte, ritt er, ganz durchnäßt von den Regenbächlein, die ihm trotz seines Lederrockes teils in den Hals, teils in die Stiefelschäfte gelaufen waren, aber in der muntersten und angeregtesten Gemütsstimmung am Abend nach Hause zurück. Das Unwetter tobte gegen Abend noch schlimmer. Der Graupelschnee peitschte das Pferd, das am ganzen Leibe naß war und fortwährend Kopf und Ohren schüttelte, so schmerzhaft, daß es in schräger Haltung vorwärts schritt. Ljewin aber fühlte sich unter seiner Regenkappe ganz wohl und blickte fröhlich um sich, bald nach den trüben Bächlein, die in den Wagengeleisen dahinliefen, bald nach den Tropfen, die an jedem kahlen Zweige hingen, bald nach dem weißen Fleck noch nicht geschmolzenen Graupelschnees auf den Brückenbohlen, bald nach dem saftigen, noch fleischigen Laube einer Ulme, das in dicker Schicht um den entblätterten Baum herumlag. Trotz des düsteren Aussehens der ihn umgebenden Natur fühlte er sich in besonders gehobener Stimmung. Die Gespräche mit den Bauern auf dem weit entlegenen Felde hatten ihm gezeigt, daß sie anfingen, sich an ihre neuen Verhältnisse zu gewöhnen. Der alte Herbergswirt, bei dem er für ein Weilchen eingekehrt war, um sich zu trocknen, hatte sich über Ljewins Plan sehr beifällig geäußert und sich aus freien Stücken erboten, in die Genossenschaft als Vieheinkäufer einzutreten.
     
    ›Man muß nur beharrlich sein Ziel verfolgen‹, dachte Ljewin. ›Auf die Art werde auch ich das meinige schon erreichen. Und die Sache ist die darauf verwandte Mühe und Arbeit wert. Es ist das nicht etwa nur meine persönliche Angelegenheit, sondern hier handelt es sich um das Wohl der Gesamtheit. Die ganze Landwirtschaft, der wichtigste Teil des Volkslebens, muß vollständig umgestaltet werden. Statt der Armut allgemeiner Wohlstand und Zufriedenheit, statt der Feindschaft Eintracht und Interessengemeinschaft. Mit einem Worte: eine unblutige Umwälzung, aber eine ganz gewaltige Umwälzung, zuerst in dem kleinen Raume unseres Kreises, dann im Gouvernement, in Rußland, in der ganzen Welt. Denn eine wahre, gerechte Idee kann nicht ohne Frucht bleiben. Ja, das ist ein Ziel, für das zu arbeiten es sich verlohnt. Und daß gerade ich auf diese Idee gekommen bin, Konstantin Ljewin, derselbe Mensch, der einmal in schwarzer Krawatte zum Ball gefahren ist und dem Kitty Schtscherbazkaja einen Korb gegeben hat und der sich selbst so kläglich und unbedeutend vorkommt – das beweist gar nichts dagegen. Ich bin überzeugt, daß Franklin sich für ebenso unbedeutend hielt und ebensowenig Selbstvertrauen besaß, wenn er über seine gesamte Persönlichkeit nachdachte. Das will gar nichts besagen. Auch der hat gewiß seine Agafja Michailowna gehabt, der er seine Geheimnisse anvertraute.‹
     
    Unter solchen Gedanken langte Ljewin (es war schon ganz dunkel geworden) wieder zu Hause an.
     
    Der Verwalter war von seiner Fahrt zu dem Händler zurückgekommen und hatte einen Teil des Geldes für den Weizen mitgebracht. Der Vertrag mit dem Herbergswirte wurde aufgesetzt. Unterwegs hatte der Verwalter bemerkt, daß das Getreide noch überall auf dem Felde stand, so daß, wie er hervorhob, seine noch nicht eingebrachten hundertsechzig Haufen nichts waren im Vergleich mit dem, was noch bei andern draußen war.
     
    Nach dem Mittagessen setzte sich Ljewin wie gewöhnlich mit einem Buche in den Lehnstuhl und fuhr während des Lesens fort, zwischendurch an seine bevorstehende Reise und in Verbindung damit an seine Abhandlung zu denken. Heute trat ihm die ganze Bedeutsamkeit dieser seiner Arbeit besonders klar vor Augen, und ganz von selbst bildeten sich in seinem Kopfe vollständige Satzgefüge, die den Kern seiner Ideen ausdrückten. ›Das muß ich mir aufzeichnen‹, dachte er. ›Das soll eine kurze Einleitung bilden, die ich früher für unnötig gehalten habe.‹ Er erhob sich, um an den Schreibtisch zu gehen, und Laska, die zu seinen Füßen lag, stand, sich reckend, gleichfalls auf und sah ihn an, wie wenn sie fragte, wohin es gehen solle. Aber er fand keine Zeit, sich seine Aufzeichnungen zu machen, denn die Vorarbeiter waren gekommen, um sich Anleitungen zu holen, und Ljewin ging zu ihnen hinaus in die Vorhalle.
     
    Nachdem er ihnen die erforderlichen Anleitungen erteilt, das heißt Anordnungen für die Arbeiten des nächsten Tages getroffen und auch alle Bauern empfangen hatte, die ihn sprechen wollten, kehrte Ljewin wieder in sein Zimmer zurück

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