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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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Pflicht, auf die Mittel zu ihrer Verbesserung hinzuweisen. Bald nach der Trennung von seiner Frau begann er eine Denkschrift über die Notwendigkeit der Einrichtung eines neuen Gerichtshofes zu schreiben, die erste in der langen Reihe jener Denkschriften aus allen Verwaltungsgebieten, die ihm zu verfassen noch beschieden war und von denen niemand etwas wissen wollte.
     
    Aber da Alexei Alexandrowitsch die Hoffnungslosigkeit seiner amtlichen Stellung gar nicht bemerkte, so kam es ihm auch nicht in den Sinn, sich gekränkt zu fühlen; vielmehr war er mit seiner Tätigkeit mehr als je zufrieden.
     
    »Wer da freiet, der sorget, was der Welt angehöret, wie er dem Weibe gefalle; wer aber ledig ist, der sorget, was dem Herrn angehöret, wie er dem Herrn gefalle«, sagte der Apostel Paulus, und Alexei Alexandrowitsch, der sich jetzt in allen Stücken von der Heiligen Schrift leiten ließ, dachte häufig an diesen Spruch. Es schien ihm, daß er, seitdem er ohne Frau lebte, durch diese seine Entwürfe dem Herrn mehr diente als früher.
     
    Durch die sichtliche Ungeduld des Reichsratsmitgliedes, das von ihm loszukommen wünschte, ließ Alexei Alexandrowitsch sich nicht stören; er hörte mit seinen Auseinandersetzungen erst dann auf, als jener Herr sich das Vorbeigehen eines Mitgliedes der Zarenfamilie zunutze machte und ihm entschlüpfte.
     
    Als Alexei Alexandrowitsch allein geblieben war, suchte er, den Kopf senkend, seine Gedanken zu sammeln; dann blickte er zerstreut um sich und ging nach der Tür zu, wo er die Gräfin Lydia Iwanowna zu treffen hoffte.
     
    ›Wie kräftig und gesund diese Leute alle in körperlicher Hinsicht sind‹, dachte Alexei Alexandrowitsch beim Anblick des mächtig großen Kammerherrn mit dem auseinandergekämmten parfümierten Backenbarte und des in seine Uniform eingezwängten Fürsten mit dem roten Halse, an denen er vorbeigehen mußte.›Es ist ein wahres Wort, daß die ganze Welt im argen liegt‹, dachte er, da er den Gesprächsstoff der Herren ahnte, und richtete auch nach den Waden des Kammerherrn noch einen schielenden Blick.
     
    Langsam dahinschreitend, grüßte Alexei Alexandrowitsch mit seiner gewohnten müden, würdevollen Miene diese Herren, die sich über ihn unterhielten, und blickte dann nach der Tür und suchte mit den Augen die Gräfin Lydia Iwanowna.
     
    »Ah, Alexei Alexandrowitsch!« sagte der kleine alte Herr, in dessen Augen es boshaft aufleuchtete, als Karenin in seine Nähe gekommen war und mit kühler Höflichkeit den Kopf neigte. »Ich habe Sie noch nicht beglückwünscht«, fuhr er fort, auf das neu erhaltene Ordensband deutend.
     
    »Ich danke Ihnen«, erwiderte Alexei Alexandrowitsch. »Welch ein schöner Tag heute«, fügte er hinzu, wobei er nach seiner Gewohnheit einen besonderen Ton auf das Wort »schön« legte.
     
    Er wußte, daß sie sich über ihn lustig machten, und erwartete von ihrer Seite auch gar nichts anderes als Feindseligkeiten; daran war er schon gewöhnt.
     
    In diesem Augenblick gewahrte er die aus dem Korsett sich heraushebenden gelben Schultern der Gräfin Lydia Iwanowna, die gerade in die Tür trat, und ihre schönen, schwärmerischen Augen, die ihn zu sich riefen; Alexei Alexandrowitsch lächelte, so daß seine noch tadellosen weißen Zähne sichtbar wurden, und ging auf sie zu.
     
    Auf ihr Äußeres hatte Lydia Iwanowna, wie in der letzten Zeit stets, große Mühe verwendet. Sie bezweckte bei ihrer Kleidung jetzt etwas ganz anderes, als sie dreißig Jahre früher dabei im Auge gehabt hatte. Damals war es ihr eine Lust gewesen, sich mit irgend etwas zu putzen, und je mehr, um so besser. Jetzt dagegen mußte sie nach den Geboten des Hofes und der Mode Kleider tragen, die so wenig zu ihren Jahren und zu ihrer Gestalt paßten, daß ihr Streben nur darauf gerichtet war, den Gegensatz zwischen diesen Kleidern und ihrem Äußeren einigermaßen herabzumildern. Und bei Alexei Alexandrowitsch erreichte sie diesen Zweck, sie erschien ihm anziehend. Für ihn war sie inmitten dieses Meeres von Feindseligkeit und Spott, das ihn umgab, die einzige Insel des Wohlwollens, ja mehr noch, der Liebe.
     
    Während er zwischen den spöttischen Blicken, die sich auf ihn richteten, wie durch eine Spießrutengasse dahinschritt, strebte er naturgemäß ihrem verliebten Blick entgegen wie die Pflanze dem Licht.
     
    »Ich gratuliere Ihnen«, sagte sie zu ihm, mit den Augen auf das Ordensband hinweisend.
     
    Ein Lächeln der Befriedigung unterdrückend,

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