Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)
besann, daß er bei Tische saß, und Wronskis kalten Blick bemerkte, unterließ er es. »Es ist zu umständlich, macht zuviel Klopot«, schloß er, die beiden Sprachen vermengend.
»Wünscht man Dochots 1 , so hat man auch Klopots 2 «, bemerkte, gleichfalls halb deutsch, halb russisch, Wasenka Weslowski, um den Deutschen zu foppen. »J'adore l'allemand« 3 , wandte er sich wieder mit demselben Lächeln zu Anna.
»Cessez« 4 , sagte sie zu ihm in einem aus Scherz und Ernst gemischten Ton.
»Wir hatten gedacht, Sie auf dem Felde zu treffen, Wasili Semjonowitsch«, wandte sie sich an den Arzt, einen kränklichen Menschen. »Waren Sie nicht dort?«
»Ich bin dort gewesen, aber ich habe mich verflüchtigt«, antwortete der Arzt mit mürrischer Scherzhaftigkeit.
»Da haben Sie sich ja gute Bewegung gemacht.«
»Ganz ausgezeichnete.«
»Nun, und wie steht es denn mit dem Befinden der alten Frau? Es ist doch hoffentlich nicht Typhus?«
»Ob nun Typhus oder nicht, jedenfalls geht es ihr nicht gut.«
»Ach, das tut mir leid!« sagte Anna und wandte sich, nachdem sie auf diese Weise den niederen Tischgenossen den Tribut der Höflichkeit hatte zukommen lassen, wieder zu ihren Standesgenossen.
»Aber es würde doch schwer sein, nach Ihrer Beschreibung eine solche Maschine zu bauen, Anna Arkadjewna«, meinte Swijaschski scherzend.
»Warum sollte das nicht gehen?« erwiderte Anna mit einem Lächeln, das besagte, sie wußte wohl, in ihrer Erläuterung des Baues der Maschine habe etwas Liebliches und Anmutiges gelegen, das auch Swijaschski bemerkt haben müsse. Dieser neue Zug jugendhafter Koketterie überraschte Dolly und machte ihr einen unangenehmen Eindruck.
»Aber dafür besitzt Anna Arkadjewna im Bauwesen ganz erstaunliche Kenntnisse«, sagte Tuschkewitsch.
»Gewiß! Ich habe gehört, wie Anna Arkadjewna gestern sagte: ›Zu den Streben und den Plinthen‹«, sagte Weslowski. »Spreche ich auch die Ausdrücke richtig?«
»Dabei ist nichts Wunderbares, wenn man soviel davon sieht und hört«, versetzte Anna. »Aber Sie wissen wahrscheinlich nicht einmal, aus welchem Stoff man Häuser baut.«
Darja Alexandrowna sah, daß Anna sich über den neckenden Ton, der im Gespräche zwischen ihr und Weslowski üblich geworden war, ärgerte, trotzdem aber unwillkürlich selbst immer wieder in ihn zurückfiel.
Wronski benahm sich in dieser Lage ganz anders als Ljewin. Er legte offenbar Weslowskis Geschwätz keine Wichtigkeit bei, sondern half im Gegenteil selbst bei solchen Späßchen aufmunternd mit.
»Ja, ja, nun sagen Sie einmal, Weslowski, womit werden die Steine untereinander verbunden?«
»Natürlich mit Mörtel.«
»Bravo! Aber was ist denn nun Mörtel?«
»So eine Art Brei ... nein, eine Art Kitt«, erwiderte Weslowski und rief dadurch allgemeines Gelächter hervor.
Abgesehen von dem Arzte, dem Baumeister und dem Verwalter, die in finsteres Schweigen versunken dasaßen, geriet die Unterhaltung unter den Speisenden nie ins Stocken; bald glitt sie glatt dahin, bald hakte sie irgendwo ein und versetzte den einen oder anderen der Tischgenossen in Eifer. Einmal fühlte sich auch Darja Alexandrowna unangenehm berührt, und sie geriet so in Erregung, daß sie einen ganz roten Kopf bekam und erst nachher überlegte, ob sie auch nicht etwas Unpassendes, Verletzendes gesagt habe. Swijaschski war auf Ljewin zu sprechen gekommen und erwähnte dessen sonderbare Anschauung, daß die Maschinen für die russische Landwirtschaft nur ein Schaden seien.
»Ich habe nicht das Vergnügen, diesen Herrn Ljewin zu kennen«, sagte Wronski lächelnd, »aber wahrscheinlich hat er die Maschinen, über die er ein solches Verdammungsurteil fällt, nie gesehen. Und wenn er welche gesehen und probiert hat, so ist das wohl nur sehr oberflächlich gewesen, und es waren vielleicht keine ausländischen Maschinen, sondern irgendwelche russischen Ursprungs. Wie kann er da ein Urteil haben?«
»Er hat überhaupt schnurrige Anschauungen«, sagte Weslowski lächelnd, zu Anna gewendet.
»Ich bin nicht imstande, sein Urteil sachlich zu verteidigen«, sagte Darja Alexandrowna erregt. »Aber ich kann sagen, er ist ein sehr gebildeter Mann, und wenn er hier anwesend wäre, so würde er Ihnen gewiß zu antworten wissen; ich natürlich verstehe nichts davon.«
»Ich habe ihn sehr gern, und wir sind die besten Freunde«, sagte Swijaschski mit gutmütigem
Weitere Kostenlose Bücher