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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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Worte ohne Unsicherheit, aber schlecht aus.
     
    »Ganz Rußland hat sich hier zusammengefunden: selbst Kammerherren und womöglich sogar Minister.« Er wies auf die stattliche Gestalt Stepan Arkadjewitschs in weißen Hosen und der Kammerherrenuniform, der gerade mit einem General zusammen ging.
     
    »Ich muß Ihnen gestehen, daß ich für die Bedeutung der Adelswahlen sehr wenig Verständnis habe«, sagte Ljewin.
     
    Der Gutsbesitzer sah ihm ins Gesicht.
     
    »Aber was ist denn da zu verstehen? Von irgendwelcher Bedeutung ist dabei überhaupt nicht die Rede. Das Ganze ist eine wertlos gewordene Einrichtung, die nur durch das Beharrungsvermögen in mechanischer Bewegung bleibt. Sehen Sie nur die Uniformen an; auch die sagen Ihnen: dies ist eine Versammlung von Friedensrichtern, von ständigen Beisitzern dieser und jener Behörden und so weiter, aber nicht von Edelleuten.«
     
    »Warum sind Sie denn dann hergekommen?« fragte Ljewin.
     
    »So aus alter Gewohnheit; das ist der erste Grund. Und dann muß ich auch allerlei Beziehungen aufrechterhalten. Bis zu einem gewissen Grade betrachte ich es auch als eine sittliche Verpflichtung. Und dann, die Wahrheit zu sagen, habe ich diesmal auch eine eigene Angelegenheit. Mein Schwager möchte sich gern für ein Amt bei einer Adelsbehörde wählen lassen; er ist nicht reich, und da muß ich ihm ein bißchen behilflich sein. Sehen Sie einmal diese Herren da; warum kommen die denn her?« sagte er und wies auf jenen bissigen Herrn, der vorher am Gouvernementstische gesprochen hatte.
     
    »Das ist die neue Generation des Adels.«
     
    »Neu ist sie schon; aber richtiger Adel ist das nicht. Das sind Grundbesitzer, während wir Landwirte sind. Als Edelleute begehen sie eigentlich eine Art Selbstmord.«
     
    »Aber Sie sagten doch, daß diese ganze Einrichtung sich überlebt hätte.«
     
    »Überlebt hat sie sich freilich; aber doch sollte man mit ihr etwas ehrerbietiger verfahren. Da ist zum Beispiel dieser Snetkow ... Ob wir nun etwas taugen oder nicht, aber jedenfalls sind wir das Ergebnis eines tausendjährigen Wachstums. Wissen Sie, wenn man sich vor dem Hause ein Gärtchen anlegen will, so möchte man sich dazu ein Stückchen Boden frei und eben machen, und nun wächst vielleicht gerade an der Stelle bei Ihnen ein hundertjähriger Baum. Wenn der auch krumm gewachsen und alt ist, so werden Sie doch um der Blumenbeete willen den alten Kerl nicht umhauen, sondern die Beete so anlegen, daß Sie sich auch den Baum dabei nach Möglichkeit zunutze machen. So einen Baum zieht man nicht in einem Jahre heran«, sagte er, vorsichtig jedes Wort überlegend, und brachte dann das Gespräch sogleich auf einen andern Gegenstand. »Nun, und wie steht's mit Ihrer Wirtschaft?«
     
    »Nicht gerade besonders. Fünf Prozent bringt sie ein.«
     
    »Ja, aber dabei rechnen Sie Ihre eigene Person nicht mit. Ihre Arbeitskraft ist ja doch auch etwas wert, nicht wahr? Sehen Sie, ich will da einmal von mir selbst sprechen. Ehe ich selbst wirtschaftete, bekam ich in einem Amte, das ich bekleidete, jährlich dreitausend Rubel Gehalt. Jetzt arbeite ich mehr, als ich als Beamter arbeitete, und erziele ebenso wie Sie meine fünf Prozent, und auch das nur, wenn's Gott gibt. Und meine eigene Arbeit gebe ich umsonst.«
     
    »Warum tun Sie es denn dann? Wenn es doch offenbarer Schaden ist?«
     
    »Ja, man tut es eben doch! Was soll man machen? Man ist es so gewohnt und weiß, daß es nun einmal so sein muß. Ich will Ihnen noch mehr sagen«, fuhr, sich mit dem Ellbogen auf das Fensterbrett stützend, der Gutsbesitzer fort, der ins Reden gekommen war; »mein Sohn hat keine Lust zur Landwirtschaft. Er will Gelehrter werden. Es wird also niemand da sein, der mein Lebenswerk weiterführt. Und doch arbeitet man daran fort. So habe ich mir in diesem Jahre einen Garten angelegt.«
     
    »Ja, ja«, erwiderte Ljewin, »das ist vollkommen richtig. Ich habe immer die Empfindung, daß ich von meiner Landwirtschaft keinen rechten Vorteil habe, und doch arbeitet man weiter ... Man fühlt eine Art von Verpflichtung dem Grund und Boden gegenüber.«
     
    »Da möchte ich Ihnen noch etwas erzählen«, fuhr der Gutsbesitzer fort. »Mein Nachbar, ein Händler, war bei mir zu Besuch. Wir gingen durch die Wirtschaft, durch den Garten. ›Nein‹, sagte er, ›Stepan Wasiljewitsch, alles ist ja bei Ihnen in schönster Ordnung; aber um den Garten haben Sie sich nicht recht gekümmert.‹ Dabei ist mein Garten sehr gut in

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