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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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Mutter und ihren Schwestern zu Hause sitzen? Aber so angenehm und unterhaltend ihr selbst diese sich immer gleichbleibenden Gespräche waren (Linchen-Trinchen-Gespräche pflegte der alte Fürst die Unterhaltungen der Schwestern zu nennen), so wußte sie doch, daß ihm das langweilig sein mußte. Was blieb ihm also übrig zu tun? Sollte er an seinem Buche schreiben? Er hatte dazu auch wirklich einen Versuch gemacht und war in der ersten Zeit einige Male nach der Bibliothek gegangen, um sich für sein Buch Auszüge zu machen und sich über einzelne Punkte zu belehren; aber, wie er sich ihr gegenüber ausgedrückt hatte, je länger dieses müßige Leben dauerte, um so weniger Zeit hatte er übrig. Und außerdem klagte er ihr, er habe hier schon zuviel von seinem Buche gesprochen, und die Folge davon sei, daß ihm alle seine Gedanken über diesen Gegenstand in Verwirrung geraten seien und ihre Anziehungskraft für ihn verloren hätten.
     
    Einen Vorteil brachte jedoch das Stadtleben insofern mit sich, als Streitigkeiten hier in der Stadt zwischen ihnen beiden niemals vorkamen. Ob dies nun daher rührte, daß die gesamten Lebensverhältnisse in der Stadt andere waren, oder daher, daß sie beide in dieser Hinsicht vorsichtiger und verständiger geworden waren, genug, Zwistigkeiten aus Eifersucht, vor denen ihnen bei der Übersiedlung nach der Stadt so bange gewesen war, kamen hier nicht vor.
     
    In dieser Hinsicht trug sich sogar ein für beide sehr wichtiges Ereignis zu, nämlich eine Begegnung Kittys mit Wronski.
     
    Die alte Fürstin Marja Borisowna, Kittys Taufpatin, die immer eine große Zuneigung zu ihr gehabt hatte, wünschte dringend, sie wiederzusehen. Obwohl Kitty wegen ihres Zustandes sonst keine Besuche machte, fuhr sie doch mit ihrem Vater zu der verehrten alten Dame und traf bei ihr Wronski.
     
    Kitty hatte sich bei dieser Begegnung nur das eine vorzuwerfen, daß für einen Augenblick, als sie in dem Zivilanzuge die ihr einst so wohlvertrauten Züge erkannte, ihr der Atem stockte, alles Blut zum Herzen strömte und, wie sie fühlte, eine heiße Röte ihr ins Gesicht stieg. Aber das dauerte nur einige Sekunden. Ihr Vater, der absichtlich in lautem Tone mit Wronski sprach, hatte dieses Gespräch noch nicht beendet, als sie bereits völlig fähig war, Wronski anzusehen und nötigenfalls mit ihm zu reden, geradeso wie sie mit der Fürstin Marja Borisowna redete, und vor allen Dingen so, daß alles, bis auf die kleinste Einzelheit im Klang ihrer Stimme und in ihrem Lächeln, die Billigung ihres Mannes gefunden hätte, dessen unsichtbare Gegenwart sie in diesem Augenblick zu empfinden glaubte.
     
    Sie wechselte einige Worte mit ihm und lächelte sogar ruhig zu einer scherzhaften Bemerkung von ihm über die Wahlversammlung, die er »unser Parlament« nannte. (Daß sie lächelte, war erforderlich, um zu zeigen, daß sie den Scherz verstanden habe.) Aber dann wandte sie sich auch sofort zu der Fürstin Marja Borisowna und blickte kein einziges Mal wieder nach ihm, bis er aufstand, um sich zu empfehlen; nun sah sie ihn an, aber augenscheinlich nur, weil es unhöflich ist, jemand, der einem eine Verbeugung macht, nicht anzusehen.
     
    Sie war ihrem Vater dafür dankbar, daß er zu ihr über ihr Zusammentreffen mit Wronski keinerlei Bemerkung machte; aber an seiner besonderen Zärtlichkeit, während sie nach dem Besuch ihre gewöhnliche Spazierfahrt machte, merkte sie, daß er mit ihr zufrieden war. Auch sie selbst war mit sich zufrieden. Sie hatte gar nicht erwartet, daß sie die Kraft besitzen würde, alle Erinnerungen an ihre früheren Gefühle für Wronski irgendwo in der Tiefe ihrer Seele gewaltsam niederzuhalten und ihm gegenüber völlig gleichmütig und ruhig nicht nur zu scheinen, sondern auch zu sein.
     
    Ljewin errötete weit heftiger als Kitty selbst, als sie ihm erzählte, daß sie mit Wronski bei der Fürstin Marja Borisowna zusammengetroffen sei. Es war ihr sehr schwer geworden, ihm dies mitzuteilen; aber noch schwerer wurde es ihr, weiterzusprechen und über die Einzelheiten der Begegnung zu berichten, da er keine Fragen darüber an sie richtete, sondern sie nur mit finsterem Gesicht anblickte.
     
    »Es tut mir sehr leid, daß du nicht dabei warst«, sagte sie. »Ich meine nicht, im Zimmer; ich hätte wohl in deiner Gegenwart nicht so ungezwungen sein können. Ich erröte jetzt viel mehr, viel, viel mehr als dort«, fügte sie hinzu; sie errötete so stark, daß ihr die Tränen kamen. »Aber daß

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