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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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würde, trat er vor das Haus, rief eine Droschke heran, setzte sich hinein und fuhr nach der Nikitskajastraße. Unterwegs dachte er nicht mehr an die Geldangelegenheit, sondern war nur von dem Gedanken erfüllt, daß er nun den Petersburger Gelehrten, der auf dem Gebiete der Volkswirtschaft wissenschaftlich tätig war, kennenlernen und mit ihm über sein Buch reden werde.
     
    Nur in der allerersten Zeit in Moskau hatten jene dem Landbewohner seltsam erscheinenden, nutzlosen, aber unvermeidlichen Ausgaben, die auf Schritt und Tritt erforderlich wurden, für Ljewin etwas Überraschendes gehabt. Aber jetzt hatte er sich an diese Ausgaben bereits gewöhnt. Es ging ihm in dieser Hinsicht ähnlich, wie es nach einem geläufigen Ausdruck den Trinkern geht: das Geld für das erste Glas sperrt und sträubt sich, aus dem Beutel herauszukommen, wie ein Dachs, den man aus seinem Bau ziehen will; das Geld für das zweite Glas kommt ruhig heraus wie eine Kuh aus dem Stalle, und die Geldstücke für die folgenden Gläser flattern heraus wie kleine Vögel aus dem Käfig. Als Ljewin den ersten Hundertrubelschein wechselte, um Livreen für den Diener und den Pförtner zu kaufen, da überlegte er unwillkürlich: diese Livreen, von denen kein Mensch einen Nutzen habe, die aber doch unumgänglich notwendig seien, wenigstens nach dem Erstaunen zu urteilen, das die Fürstin und Kitty bei seiner Bemerkung bekundet hatten, daß es doch auch ohne Livreen gehe, diese Livreen würden soviel kosten wie zwei Sommerarbeiter, das heißt ungefähr dreihundert Arbeitstage, von der Osterwoche bis zu den Fasten, und zwar lauter Tage voll schwerer Arbeit vom frühen Morgen bis zum späten Abend – und dieser Hundertrubelschein sträubte sich heftig, aus der Brieftasche herauszukommen. Die nächste Banknote, die gewechselt wurde, um Speisen und Getränke im Betrage von achtundzwanzig Rubeln für ein Essen zu beschaffen, das sie den Verwandten geben mußten, erweckte zwar bei Ljewin die Erinnerung daran, daß achtundzwanzig Rubel der Preis von neun Tschetwert Hafer seien, den die Arbeiter mit vielem Schweiß und Ächzen gemäht, gebunden, gedroschen, geworfelt, gesiebt und aufgeschüttet hätten; aber diese zweite Banknote ging doch schon leichter weg. Jetzt aber rief das Wechseln der Hundertrubelscheine schon längst nicht mehr derartige Erwägungen bei ihm hervor, und diese Papierblätter flogen davon wie kleine Vögelchen. Ob das Vergnügen, das die für dieses Geld beschafften Dinge gewährten, auch im richtigen Verhältnis zu der Arbeit stehe, die seinerzeit zum Erwerb des Geldes aufgewendet war, diese Überlegung war bei ihm schon längst abgekommen. Seine ehemalige wirtschaftliche Richtschnur, daß es einen bestimmten Preis gebe, unter dem eine bestimmte Menge Getreide nicht verkauft werden dürfe, war bei ihm gleichfalls in Vergessenheit geraten. Der Roggen, für den er so lange an einem bestimmten Preise festgehalten hatte, war nun je Tschetwert fünfzig Kopeken unter dem Preise verkauft worden, der ihm einen Monat vorher geboten worden war. Selbst die einfache Rechnung, daß sie bei solchen Ausgaben unmöglich ein Jahr lang würden leben können, ohne in Schulden zu geraten, selbst diese Rechnung machte auf ihn keinen Eindruck mehr. Nur eines war erforderlich: er mußte immer Geld bei der Bank liegen haben, so daß man stets wußte, daß man morgen würde Fleisch kaufen können; woher das Geld kam, danach fragte er nicht. Das hatte er auch bisher durchführen können: er hatte immer Geld auf der Bank gehabt. Aber jetzt war sein Geld auf der Bank zu Ende gegangen, und er wußte nicht recht, wo er welches hernehmen sollte. Dieser Gedanke war es gewesen, der ihm, als Kitty von dem Gelde angefangen hatte, für einen Augenblick die Laune verdorben hatte; aber er hatte jetzt keine Zeit, daran zu denken. Während der Fahrt in der Droschke dachte er nur an Katawasow und die bevorstehende Bekanntschaft mit Metrow.
     

3
     
    L jewin war bei seiner Anwesenheit in Moskau seinem ehemaligen Universitätsfreunde, Professor Katawasow, wieder nähergetreten, den er seit seiner Hochzeit nicht mehr gesehen hatte. Er hatte Katawasow wegen seiner schlichten, klaren Weltanschauung sehr gern. Allerdings war Ljewin der Ansicht, die Klarheit von Katawasows Weltanschauung stamme von einer gewissen Dürftigkeit seiner Veranlagung her, und Katawasow seinerseits war der Ansicht, der Mangel an Folgerichtigkeit in Ljewins Denken sei eine Folge ungenügender geistiger

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