Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)
Courschneiden und in seinem gewagten Geschwätze dermaßen, daß er zuletzt nicht mehr wußte, wie er den Rückzug bewerkstelligen sollte, da sie unglücklicherweise gar nicht sein Geschmack, vielmehr ihm geradezu zuwider war. Daß dieser Ton zwischen ihnen üblich geworden war, kam nur daher, daß sie selbst daran außerordentliches Gefallen fand. So war er denn heilfroh, als die Ankunft der Fürstin Mjachkaja ihrem Zwiegespräch ein Ende machte.
»Ah, sind Sie auch da?« sagte sie, als sie ihn erblickte. »Nun, wie geht es Ihrer armen Schwester? Sie brauchen mich gar nicht so anzusehen«, fügte sie hinzu. »Seitdem alle über sie hergefallen sind, alle die Menschen, die tausendmal schlechter sind als sie, seitdem finde ich, daß sie ganz recht gehandelt hat. Ich kann es Wronski nicht verzeihen, daß er mich nicht benachrichtigte, als sie in Petersburg war. Ich hätte sie besucht und sie überallhin mitgenommen. Bitte, bestellen Sie ihr meine herzlichsten Grüße. Und nun erzählen Sie mir von ihr ein bißchen.«
»Ja, sie befindet sich in einer schwierigen Lage; sie ...«, begann Stepan Arkadjewitsch, der in seiner Harmlosigkeit die Worte der Fürstin Mjachkaja: »Erzählen Sie mir von Ihrer Schwester«, für bare Münze nahm. Aber nach ihrer Gewohnheit unterbrach ihn die Fürstin Mjachkaja sofort und fing selbst zu reden an.
»Sie hat getan, was außer mir alle tun, aber verheimlichen; sie aber wollte nicht heucheln, und daran hat sie recht gehandelt. Und noch mehr ist es zu billigen, daß sie Ihrem halbverrückten Schwager davongegangen ist. Sie werden mir das nicht übelnehmen. Alle Leute haben immer gesagt, er wäre ein kluger, kluger Mann; nur ich habe stets gesagt: er ist dumm. Jetzt, wo er sich mit Lydia Iwanowna und mit diesem Menschen, dem Landau, eingelassen hat, sagen sie es alle, daß er halb verrückt ist, und so sehr ich mich sonst freue, anderer Meinung zu sein als alle, so ist es mir doch diesmal nicht möglich.«
»Aber erklären Sie mir, bitte, was das zu bedeuten hat«, sagte Stepan Arkadjewitsch. »Gestern war ich in der Angelegenheit meiner Schwester bei ihm und bat ihn um eine entscheidende Antwort. Aber er gab sie mir nicht, sondern sagte, er wolle es sich überlegen, und heute erhielt ich nun statt einer Antwort eine Einladung für den heutigen Abend zu der Gräfin Lydia Iwanowna.«
»Na, da haben wir's, da haben wir's!« rief die Fürstin Mjachkaja frohlockend. »Sie wollen Landau fragen, was der dazu sagt.«
»Was heißt das: Landau fragen? Wozu? Wer ist dieser Landau?«
»Wie? Sie kennen Jules Landau nicht? Le fameux Jules Landau, le clairvoyant? 2 Er ist gleichfalls halb verrückt; aber von dem hängt nun das Schicksal Ihrer Schwester ab. Sehen Sie, das kommt davon, wenn man in der Provinz lebt; Sie wissen ja von gar nichts. Also dieser Landau war Verkäufer in einem Ladengeschäft in Paris und wollte einmal einen Arzt befragen. In dem Wartezimmer bei dem Arzte schlief er ein und begann im Schlafe allen Patienten Ratschläge zu erteilen, höchst verwunderliche Ratschläge. Dann hörte Frau Meledinskaja (Sie wissen wohl: die Frau von Jegor Meledinski, dem Kranken), die hörte von diesem Landau und ließ ihn zu ihrem Manne kommen. Er unternahm es nun, ihn zu heilen. Meiner Ansicht nach hat er ihm nicht den geringsten Nutzen gebracht; denn er ist noch gerade ebenso gelähmt wie vorher; aber sie glauben an ihn und schleppen ihn überallhin mit sich. Auch nach Rußland haben sie ihn mitgebracht. Hier hatte er nun gewaltigen Zulauf, und er nahm Unzählige in seine Behandlung. Die Gräfin Bessubowa ist von ihm geheilt worden und hat ihn so in ihr Herz geschlossen, daß sie ihn als Sohn angenommen hat.«
»Wie ist das zu verstehen: als Sohn angenommen?«
»Ganz einfach, sie hat ihn eben adoptiert. Er ist jetzt nicht mehr Herr Landau, sondern Graf Bessubow. Aber darum handelt es sich augenblicklich nicht; ich wollte sagen: Lydia (die ich sehr gern habe; aber sie ist nicht ganz richtig im Kopfe) hat sich selbstverständlich nun auch in den Bann dieses Landau begeben, und ohne seine Mitwirkung trifft weder sie noch Alexei Alexandrowitsch irgendeine Entscheidung, und darum liegt das Schicksal Ihrer Schwester jetzt in den Händen dieses Landau, alias Grafen Bessubow.«
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1 (frz.) Tingeltangels.
2 (frz.) Den berühmten Jules Landau, den Hellseher?
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N achdem Stepan Arkadjewitsch bei Bartnjanski vorzüglich gegessen und eine
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