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Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Tolstoi
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werde, so hätte sie einräumen müssen, daß er allerdings werde verdammt werden; aber trotzdem machte sein Unglaube sie nicht unglücklich. Und obgleich sie sich zu der Lehre bekannte, wonach für einen Ungläubigen keine Rettung möglich sei, und die Seele ihres Mannes mehr als alles in der Welt liebte, so dachte sie doch an seinen Unglauben mit einem Lächeln und sagte zu sich selbst, daß er ein eigenartiger Mensch sei.
     
    ›Wozu liest er das ganze Jahr hindurch allerlei philosophische Bücher?‹ dachte sie. ›Wenn in diesen Büchern die Wahrheit geschrieben stände, so würde er es doch verstehen können und zur Ruhe kommen; wenn aber Unwahrheit darin steht, was hat es dann für Zweck, diese Bücher zu lesen? Er sagt selbst, es sei sein Wunsch zu glauben. Warum glaubt er dann also nicht? Doch wohl, weil er zuviel denkt? Und daß er soviel denkt, das kommt von seinem einsamen Leben her. Immer ist er allein, immer allein. Mit uns kann er nicht über alles sprechen. Ich glaube, diese Gäste werden ihm angenehm sein, besonders Katawasow. Er unterhält sich gern mit ihm‹, dachte sie, überlegte sich aber im nächsten Augenblick, wie sie wohl Katawasow am besten unterbringen könne, ob er allein schlafen solle oder mit Sergei Iwanowitsch zusammen. Und da schoß ihr auf einmal ein Gedanke durch den Kopf, der sie vor Aufregung zusammenfahren ließ; dadurch wurde sogar Dmitri beunruhigt, so daß er sie dafür mit einem strengen Blick ansah. ›Die Waschfrau hat ja wohl noch nicht die Wäsche gebracht, und was an Bettwäsche vorhanden war, ist schon für die bisherigen Gäste herausgegeben. Wenn ich nicht das Nötige anordne, wird Agafja Michailowna für Sergei Iwanowitsch und den Professor Wäsche geben, wie sie von der Bleiche kommt.‹ Der bloße Gedanke daran trieb ihr das Blut ins Gesicht.
     
    ›Ja, ich werde das Nötige anordnen‹, sagte sie sich, und zu ihren früheren Gedanken zurückkehrend, erinnerte sie sich, daß sie eine wichtige seelische Frage noch nicht bis zu Ende durchgedacht hatte, und sie suchte sich zu besinnen, welche Frage es gewesen sei. ›Ja, über Konstantins Unglauben!‹ Sie lächelte, als ihr das wieder einfiel.
     
    ›Nun ja, ungläubig! Mag er lieber immer ein solcher Ungläubiger bleiben, als ein Gläubiger von der Art werden, wie es Madame Stahl war oder wie ich es damals im Auslande werden wollte. Nein, heucheln, das wird er niemals.‹
     
    Dabei kam ihr lebhaft ins Gedächtnis, in welch schöner Weise sich unlängst Ljewins Herzensgüte geäußert hatte. Vor vierzehn Tagen hatte Dolly einen reuigen Brief von Stepan Arkadjewitsch erhalten. Er hatte sie darin angefleht, seine Ehre zu retten und ihr Gut zu verkaufen, um seine Schulden zu bezahlen. Dolly war in Verzweiflung gewesen und hatte nicht gewußt, ob sie ihren Mann mehr haßte oder verachtete oder bedauerte; sie hatte beschlossen, sich scheiden zu lassen, ihm seine Bitte abzuschlagen; aber es hatte dann doch damit geendet, daß sie einwilligte, einen Teil ihres Gutes zu verkaufen. Und nun erinnerte sich Kitty, unwillkürlich vor Rührung lächelnd, wie verlegen sich ihr Mann nach diesem Entschlusse Dollys benommen hatte, wie er mehrmals ungeschickten Anlauf zu dem Vorschlag, der ihn beschäftigte, gemacht hatte und wie er schließlich (es war dies das einzige Mittel gewesen, das er hatte ersinnen können, um Dolly zu helfen, ohne ihr Ehrgefühl zu verletzen) Kitty dazu angeregt hatte, den Teil des Gutes, der ihr gehörte, ihrer Schwester zu überlassen, eine edle Tat, auf die sie selbst vorher gar nicht verfallen war.
     
    ›Und er wäre ein Ungläubiger? Mit seinem Herzen, mit dieser Furcht, irgend jemandem, und wäre es auch nur ein Kind, wehe zu tun! Alles für andere, nichts für sich. Sergei Iwanowitsch ist geradezu der Ansicht, das sei Konstantins Pflicht, für ihn die Verwaltung des Gutes zu führen. Und ebenso Konstantins Schwester. Jetzt hat sich Dolly mit ihren Kindern unter seine Obhut gestellt. Und alle die Bauern, die Tag für Tag zu ihm kommen, als ob er verpflichtet wäre, ihnen allerlei Dienste zu erweisen!‹
     
    »Ja, werde du nur so, wie dein Vater ist; so werde du nur«, murmelte sie vor sich hin, indem sie den kleinen Dmitri der Kinderfrau hingab und mit den Lippen sein Bäckchen berührte.
     

8
     
    V on dem Augenblick an, wo Ljewin beim Anblick seines lieben, todkranken Bruders zum ersten Male die Fragen des Lebens und Todes durch die Brille jener neuen, wie er es nannte, Überzeugungen

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