Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)
aber, wo er nach seiner Verheiratung sich mehr und mehr darauf beschränkte, sich selbst zu leben, empfand er zwar keine besondere Freude mehr bei dem Gedanken an seine Tätigkeit, aber er hatte die Überzeugung, daß sie notwendig war, und sah, daß sie weit besser vonstatten ging als früher und immer wichtiger und bedeutsamer wurde.
Jetzt wühlte er sich, beinahe gegen seinen Willen, wie ein Pflug immer tiefer und tiefer in die Erde hinein, so daß er sich nicht mehr herausarbeiten konnte, ohne die Furche zu verderben.
Daß die Familie so lebe, wie die Väter und Großväter zu leben gewohnt waren, das heißt auf der gleichen Bildungshöhe, und daß die Erziehung der Kinder dem entspreche, das erachtete Ljewin für eine unzweifelhafte Notwendigkeit; das war gerade ebenso notwendig, wie Mittagbrot zu essen, wenn man hungrig geworden ist. Und wie zu diesem Zwecke notwendig ist, daß das Mittagbrot zubereitet werde, so war es gleicherweise notwendig, die Wirtschaftsmaschine in Pokrowskoje derart in Gang zu halten, daß Einnahmen erzielt wurden. Und wie man eine Schuld zurückzahlen muß, so mußte man gleicherweise das ererbte Land in einem solchen Zustand erhalten, daß der Sohn, der es erben würde, dem Vater ebenso dankbar dafür sein konnte, wie Ljewin seinem Großvater für alles, was dieser gebaut und gepflanzt hatte, dankbar war. Und zu diesem Zwecke war es notwendig, daß er das Land nicht verpachtete, sondern es selbst bewirtschaftete, Vieh hielt, die Äcker düngte und Wald anpflanzte.
Der Angelegenheiten Sergei Iwanowitschs und der Schwester und der Bauern, die zu ihm kamen, um sich Rat zu holen, und sich daran schon völlig gewöhnt hatten, dieser Angelegenheiten sich weiter nicht mehr anzunehmen, war für Ljewin gerade so unmöglich, wie es unmöglich ist, ein Kind hinzuwerfen, das man schon auf den Armen hält. Es war notwendig, daß er für die Bequemlichkeit der bei ihm auf Besuch befindlichen Schwägerin und ihrer Kinder und für die Bequemlichkeit seiner eigenen Frau und seines Kindes sorgte, und es war unumgänglich, daß er wenigstens einen kleinen Teil des Tages in ihrer Gesellschaft zubrachte.
Alle diese Beschäftigungen, im Verein noch mit der Jagd und der neuen Leidenschaft für Bienenzucht, füllten Ljewins ganzes Leben aus, eben das Leben, das für ihn keinen Wert hatte, sobald er darüber nachdachte.
Aber Ljewin wußte nicht nur mit Sicherheit, was er tun mußte, sondern er wußte auch ganz ebenso, wie er alles das tun mußte und welche Tätigkeit wichtiger war als eine andere.
Er wußte, daß man die Arbeiter zu möglichst niedrigem Lohne mieten mußte; aber sie gegen einen Vorschuß als Fronarbeiter annehmen, wobei sie dann erheblich weniger Geld erhielten als ihre Arbeit wert war, das durfte man nicht, obgleich es sehr vorteilhaft war. Bei Futtermangel Stroh an die Bauern nur gegen Bezahlung abgeben, das durfte man, wenn sie einem auch leid taten; aber die Herberge und die Schenke mußte man beseitigen, obgleich sie eine Einnahmequelle bildeten. Das Abhauen und Stehlen von Bäumen im Walde mußte aufs strengste bestraft werden; aber für hineingetriebenes Vieh sollte man keine Geldstrafen nehmen; und obgleich diese Nachsicht die Waldhüter verdroß und die Furcht der Frevler verminderte, sollte man doch das hineingetriebene Vieh nicht zurückbehalten.
Dem Bauern Peter, der dem Wucherer zehn Prozent monatlich zahlte, mußte man ein Darlehen geben, um ihn aus solchen Händen zu retten; aber den Bauern, die mit der Zahlung ihrer Abgaben saumselig waren, etwas ablassen oder Stundung gewähren, das durfte man nicht. Man durfte es dem Verwalter nicht durchgehen lassen, daß eine kleine Wiese nicht gemäht war und das Gras ungenutzt zugrunde ging; aber man durfte auch nicht achtzig Deßjatinen abmähen, auf denen junger Wald gepflanzt war. Man durfte nicht großmütig sein gegen einen Arbeiter, mochte er einem auch noch so leid tun, der mitten in der arbeitsreichsten Zeit in seine Heimat zurückkehrte, weil sein Vater gestorben war, sondern man mußte ihm für die versäumten wertvollen Arbeitsmonate einen Abzug vom Lohne machen; aber anderseits durfte man alten, zu nichts mehr tauglichen Gutsknechten eine monatliche Gabe von Lebensmitteln nicht verweigern.
Ljewin wußte auch, daß, wenn er nach Hause zurückkam, er zuerst zu seiner Frau gehen mußte, die mitunter nicht wohl war, und daß die Bauern, die schon drei Stunden lang auf ihn gewartet hatten,
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