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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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mir noch zu früh; aber trinken muß ich noch schnell etwas. Ich komme sofort. Heda,
    Wein!« rief er mit seiner berühmten starken Kommandostimme, von der die Scheiben klirrten. »Nein, es ist nicht
    nötig«, rief er unmittelbar darauf wieder. »Wenn du zu dir nach Hause gehst, komme ich mit.«
    Beide gingen hinaus.

20
    Wronski hatte im Lager seine Unterkunft in einem geräumigen, sauberen finnischen Bauernhäuschen, das durch eine
    Bretterwand in zwei Teile geteilt war. Petrizki wohnte auch im Lager mit ihm zusammen. Er schlief noch, als Wronski
    und Jaschwin in das Haus traten.
    »Steh auf, du hast genug geschlafen!« rief Jaschwin, der hinter die Scheidewand gegangen war und Petrizki an der
    Schulter schüttelte; dieser lag dort auf dem Bette und hatte seinen struppigen Kopf mit der Nase im Kissen
    vergraben.
    Petrizki sprang plötzlich auf die Knie und blickte um sich.
    »Dein Bruder war hier«, sagte er zu Wronski. »Er hat mich aufgeweckt, hol ihn der Teufel; er sagte, er käme
    wieder.« Damit warf er sich wieder auf das Kissen und zog die Decke über sich. »So laß mich doch in Ruhe!« rief er
    Jaschwin ärgerlich zu, der ihm die Decke wegziehen wollte. »Laß mich doch in Ruhe!« Er drehte sich herum und machte
    die Augen auf. »Sag mir lieber, was ich trinken soll; ich habe einen so gräßlichen Geschmack im Munde, daß ...«
    »Schnaps ist das allerbeste«, erwiderte Jaschwin mit seiner kräftigen Baßstimme. »Tereschtschenko, bring dem
    Herrn Schnaps und Gurken!« schrie er; es machte ihm offenbar Vergnügen, seine Stimme zu hören.
    »Du meinst Schnaps? Ja?« fragte Petrizki, die Stirn runzelnd und sich die Augen reibend. »Trinkst du mit? Wenn
    du mittrinkst, dann nur zu! Wronski, trinkst du auch mit?« fragte Petrizki, indem er aufstand und sich bis unter
    die Arme in die getigerte Decke einwickelte. Er stellte sich in die Tür der Scheidewand, hob die Arme in die Höhe
    und fing an, auf französisch zu singen: »Es war ein König in Thuuule ... – Wronski, trinkst du mit?«
    »Laß mich in Ruh!« erwiderte Wronski und zog den Waffenrock an, den ihm sein Diener reichte.
    »Wo willst du denn hin?« fragte ihn Jaschwin. »Da ist ja auch deine Troika«, fügte er hinzu, als er den
    vorfahrenden Wagen erblickte.
    »Nach dem Stall; und dann muß ich noch zu Brjanski wegen der Pferde«, antwortete Wronski.
    Wronski hatte tatsächlich versprochen, zu Brjanski, der zehn Werst von Peterhof entfernt wohnte, zu kommen und
    ihm das Geld für die Pferde zu bringen, und er hätte gern auch diesen Besuch noch erledigt. Aber seine Kameraden
    durchschauten sofort, daß er auch noch anderswohin zu fahren beabsichtige.
    Petrizki fuhr mit seinem Geträller fort, kniff aber ein Auge zusammen und machte die Lippen dick, wie wenn er
    sagen wollte: ›Wir wissen schon, was für ein Brjanski das ist.‹
    Jaschwin beschränkte sich darauf, zu sagen: »Paß nur auf, daß du nicht zu spät kommst!« und um das
    Gesprächsthema zu wechseln, fragte er: »Nun, macht denn mein Hellbrauner seine Sache gut?« Er blickte durch das
    Fenster nach dem Deichselpferde, das er an Wronski verkauft hatte.
    »Halt!« schrie Petrizki dem bereits hinausgehenden Wronski zu. »Dein Bruder hat einen Brief für dich
    hiergelassen und einen Zettel. Warte mal, wo mögen die nur sein?«
    Wronski blieb stehen.
    »Nun, wo sind sie denn?«
    »Wo sie sind? Ja, das ist eben die Frage!« sagte Petrizki feierlich und strich sich mit dem Zeigefinger nach
    oben hin über die Nase.
    »Na, nun sag es doch! Das ist ja eine Dummheit!« meinte Wronski lächelnd.
    »Den Kamin habe ich nicht geheizt. Sie müssen hier irgendwo sein.«
    »Nun laß die Torheiten! Wo ist der Brief?«
    »Nein, wahrhaftig, ich hab's vergessen. Oder hab ich die ganze Geschichte nur geträumt? Warte doch, so warte
    doch nur! Da brauchst du doch nicht gleich ärgerlich zu werden! Wenn du, wie ich gestern, eine Zecherei mitgemacht
    hättest, bei der vier Flaschen auf den Mann kamen, dann würdest du überhaupt nicht mehr wissen, wo du lägst. Warte,
    es wird mir gleich einfallen!«
    Petrizki ging hinter den Verschlag und legte sich auf sein Bett.
    »Halt einmal! So lag ich, so stand er. Ja, ja; ja, ja ... Und da ist er!« Wirklich zog Petrizki den Brief unter
    der Matratze hervor, wo er ihn versteckt hatte.
    Wronski nahm den Brief und den von seinem Brüder geschriebenen Zettel in Empfang. Es war genau das, was er
    erwartet hatte: ein Brief von seiner Mutter mit Vorwürfen, daß er nicht zu

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