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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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hergebracht sein
    und dastehen mußte, Machotins Gladiator, ein fünf Werschok hoher Fuchs. Noch lieber als seinen eigenen Renner hätte
    Wronski diesen Gladiator gesehen, den er noch nicht kannte; aber er wußte, daß er ihn nach den Anstandsgesetzen des
    Rennsports nicht sehen dürfe, ja daß es sogar unpassend sei, nach ihm auch nur zu fragen. Aber während er den Gang
    entlang schritt, öffnete der Stallknecht die Tür zu der zweiten Box links, und Wronski erblickte einen kräftig
    gebauten Fuchs mit weißen Füßen. Er wußte, daß dies Gladiator war; aber mit einem Gefühle, wie wenn sich jemand von
    einem fremden geöffneten Briefe abwendet, drehte er sich weg und ging zu Frou-Frous Box.
    »Hier ist das Pferd von Mak ... Mak ... ich kann diesen Namen nie ordentlich herausbekommen«, sagte der
    Engländer über die Schulter weg und wies mit dem Daumen, an dem ein schmutziger Nagel saß, nach der Box
    Gladiators.
    »Von Machotin? Ja, das ist mein einziger ernsthafter Gegner«, erwiderte Wronski.
    »Wenn Sie ihn ritten«, sagte der Engländer, »würde ich auf Sie setzen.«
    »Frou-Frou hat mehr Temperament, Gladiator mehr Kraft«, versetzte Wronski und lächelte über das seiner Reitkunst
    gespendete Lob.
    »Beim Hindernisreiten kommt alles auf das Reiten und den pluck an«, bemerkte der Engländer.
    Pluck, das heißt Energie und Kühnheit, fühlte Wronski nicht nur in ausreichendem Maße in sich, sondern, was noch
    weit wichtiger war, er war auch fest überzeugt, daß niemand diesen pluck in höherem Grade besitzen könne als
    er.
    »Sie wissen genau, daß es nicht nötig war, das Pferd schwitzen zu lassen?«
    »Nein, es war nicht nötig«, antwortete der Engländer. »Bitte, sprechen Sie nicht laut! Das Pferd regt sich auf«,
    fügte er hinzu und deutete mit einer Kopfbewegung nach der geschlossenen Box, vor der sie standen und aus der man
    das Hinundhertreten der Füße des Pferdes im Stroh hörte.
    Er öffnete die Tür, und Wronski trat in die Box, die nur durch ein kleines Fensterchen schwaches Licht empfing.
    In der Box stand ein dunkelbraunes Pferd mit einem Kappzaum und stampfte in dem frischen Stroh umher. Nachdem
    Wronski sich in dem Halbdunkel der Box umgeblickt hatte, umfaßte er noch einmal unwillkürlich mit einem
    Gesamtblicke die ganze Gestalt seines Lieblingspferdes. Frou-Frou war ein Pferd von Mittelgröße und im Körperbau
    nicht tadellos. Es war sehr schmal im Knochengerüst; wiewohl der Brustkorb sich stark nach vorn ausbuchtete, war
    die Brust doch nur schmal. Das Hinterteil hing etwas herab, und an den Vorderbeinen und namentlich an den
    Hinterbeinen war eine merkliche Krummbeinigkeit vorhanden. Die Muskeln der Hinter- und der Vorderbeine waren nicht
    besonders massig; aber dafür war das Pferd am Sattelgurt außerordentlich breit, was besonders jetzt bei seiner
    Trainierung und seinem mageren Bauche auffiel. Die Knochen seiner Beine unterhalb der Knie schienen, von vorn
    gesehen, nicht dicker als ein Finger zu sein, waren dagegen, von der Seite betrachtet, ungewöhnlich breit. Das
    ganze Tier war, mit Ausnahme der Rippen, gleichsam von den Seiten her zusammengedrückt und hinten hinabgezogen.
    Aber es besaß im höchsten Maße einen Vorzug, der alle solche Mängel vergessen ließ; dieser Vorzug war das Blut,
    jenes Blut, das nach dem englischen Ausdruck ›sich zeigt‹. Aus dem Adernetz, das sich in der feinen, beweglichen,
    atlasglatten Haut ausbreitete, traten die Muskeln scharf heraus, die so fest wie Knochen zu sein schienen. Der
    magere Kopf mit den vorstehenden, glänzenden, munteren Augen verbreiterte sich am Maule zu den herausragenden
    Nüstern, deren Innenhaut mit blutroten Äderchen durchzogen war. In der ganzen Gestalt und namentlich in der Bildung
    des Kopfes lag ein Ausdruck von Bestimmtheit und Energie und doch zugleich von Zartheit. Es war eines von jenen
    Tieren, die anscheinend nur deswegen nicht sprechen, weil es ihnen die mechanische Einrichtung ihres Mundes nicht
    gestattet.
    Wronski wenigstens hatte den Eindruck, als verstünde die Stute alles, was er jetzt bei ihrem Anblicke
    empfand.
    Sobald Wronski zu ihr hineintrat, zog sie die Luft tief einatmend in sich hinein, verdrehte ihr ihm zugewandtes
    vorstehendes Auge dermaßen, daß das Weiße sich von Blut rot färbte, sah von der gegenüberliegenden Seite der Box
    nach den Eintretenden hin, rüttelte ein wenig mit dem Kappzaum und trat mit federnden Bewegungen von einem Fuße auf
    den anderen.
    »Nun, da sehen Sie,

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