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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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unausgesetzten
    Tätigkeit, bei seiner Gewissenhaftigkeit im Arbeiten, er ist bis zum äußersten Grade angespannt, und ein
    anderweitiger Druck ist vorhanden, und zwar ein recht schwerer Druck«, schloß der Arzt und zog dabei die Brauen
    bedeutsam in die Höhe. »Werden Sie bei dem Rennen sein?« fügte er hinzu, während er in den Wagen stieg, der
    inzwischen vorgefahren war. »Ja, ja, selbstverständlich, es raubt einem viel Zeit«, antwortete er noch auf etwas,
    was Sljudin gesagt, er selbst aber nicht mehr deutlich verstanden hatte.
    Nach dem Arzte, dessen Besuch soviel Zeit gekostet hatte, erschien der berühmte Reisende, und Alexei
    Alexandrowitsch, der sowohl seine früheren Kenntnisse von diesem Gegenstande wie auch die soeben beim Lesen der
    Schrift neugewonnenen im Gespräche verwertete, überraschte den Reisenden durch sein tiefes Wissen auf diesem
    Gebiete und durch seinen weitreichenden, klaren Blick für diese Dinge.
    Zugleich mit dem Reisenden wurde ihm auch der Besuch eines Gouvernements-Adelsmarschalls gemeldet, der nach
    Petersburg gekommen war und mit dem er verhandeln mußte. Nachdem dieser wieder gegangen war, mußte die
    ›Handwerksarbeit‹ mit dem Subdirektor zu Ende geführt werden, und dann mußte sich Alexei Alexandrowitsch noch wegen
    einer sehr ernsten, wichtigen Sache zu einer hochgestellten Persönlichkeit begeben. Er brachte es nur mit Mühe
    fertig, um fünf Uhr, der von ihm für das Mittagessen festgesetzten Zeit, zurück zu sein, und nachdem er mit seinem
    Subdirektor zusammen gespeist hatte, lud er diesen ein, mit ihm nach dem Landhause und zum Rennen zu fahren.
    Ohne sich selbst über den Grund dieser Handlungsweise Rechenschaft abzulegen, suchte Alexei Alexandrowitsch es
    jetzt immer so einzurichten, daß er mit seiner Frau nur in Gegenwart eines Dritten zusammen war.

27
    Anna stand im oberen Stockwerk vor dem Spiegel und steckte mit Annuschkas Hilfe die letzte Schleife an ihr
    Kleid, als sie vor der Haustür das knirschende Geräusch von Rädern auf dem Kies hörte.
    ›Für Betsy ist es noch zu früh‹, dachte sie, sah durch das Fenster und erblickte den Wagen, aus dem eben Alexei
    Alexandrowitsch seinen Kopf mit dem schwarzen Hute und den ihr so wohlbekannten Ohren heraussteckte. ›Das kommt mir
    unerwünscht; er wird doch nicht die Nacht über hierbleiben?‹ dachte sie, und alle die Folgen, die das haben konnte,
    erschienen ihr so entsetzlich und furchtbar, daß sie, ohne sich auch nur einen Augenblick zu besinnen, mit
    heiterem, strahlendem Gesichte aus dem Zimmer den beiden Herren entgegenging; sie fühlte, daß der ihr schon
    wohlbekannte Geist der Lüge und des Truges in ihr wieder lebendig wurde, überließ sich sofort seinen Eingebungen
    und begann zu reden, ohne selbst zu wissen, was sie sagen werde.
    »Ah, das ist einmal nett!« sagte sie, reichte ihrem Manne die Hand und begrüßte Sljudin als einen Freund des
    Hauses mit einem freundlichen Lächeln. »Ich hoffe, du bleibst über Nacht hier?« das waren die ersten Worte, die ihr
    der Geist des Truges zuflüsterte, »und jetzt wollen wir zusammen zum Rennen fahren. Nur schade, daß ich mich mit
    Betsy verabredet habe. Sie will mich abholen.«
    Alexei Alexandrowitsch runzelte bei dem Namen Betsy die Stirn.
    »Oh, ich werde die Unzertrennlichen nicht trennen«, antwortete er in seinem gewöhnlichen scherzenden Tone. »Ich
    werde mit Michail Wasiljewitsch zusammen fahren. Auch ist mir ärztlicherseits empfohlen worden, recht viel zu
    gehen; ich werde also unterwegs aussteigen und eine Strecke zu Fuß gehen und mir dabei vorstellen, daß ich noch im
    Badeort sei.«
    »Wir haben noch viel Zeit«, sagte Anna. »Wünschen die Herren nicht eine Tasse Tee?«
    Sie klingelte.
    »Bringen Sie Tee und sagen Sie zu Sergei, daß Alexei Alexandrowitsch gekommen ist. Nun, wie steht es denn mit
    deiner Gesundheit? Michail Wasiljewitsch, Sie sind in diesem Jahre noch nie bei mir hier draußen gewesen; sehen Sie
    nur, wie schön es auf meiner Terrasse ist«, sagte sie, sich bald an den einen, bald an den andern wendend.
    Sie sprach ungezwungen und natürlich, aber zu viel und zu schnell. Sie fühlte das selbst und um so mehr, da sie
    an dem forschenden Blicke, mit dem Michail Wasiljewitsch sie ansah, merkte, daß er sie beobachtete.
    Michail Wasiljewitsch trat sogleich auf die Terrasse hinaus.
    Sie setzte sich neben ihren Mann.
    »Du siehst nicht recht wohl aus«, sagte sie zu ihm.
    »Ja«, antwortete er, »heute ist der Arzt bei

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