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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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ausgebildet
    hat. Der Sport ist meiner Ansicht nach von hoher Bedeutung; aber wir sehen bei ihm wie bei allen Dingen eben nur
    das Alleräußerlichste.«
    »Doch nicht bloß das Äußerliche«, warf die Fürstin Twerskaja dazwischen. »Ein Offizier soll sich soeben zwei
    Rippen gebrochen haben.«
    Auf Alexei Alexandrowitschs Gesicht erschien das ihm eigentümliche Lächeln, das nur die Zähne sichtbar werden
    ließ, aber im übrigen völlig nichtssagend war.
    »Allerdings, Fürstin«, versetzte er, »ist das nichts Äußerliches, sondern etwas Innerliches. Aber darum handelt
    es sich nicht«, hier wandte er sich wieder an den General, mit dem er das Gespräch in ernstem Tone fortsetzte; »Sie
    dürfen nicht vergessen, daß bei dem Rennen Offiziere reiten, die sich für diesen Beruf nach freier Wahl entschieden
    haben, und Sie werden zugeben müssen, daß ein jeder Beruf auch seine Kehrseite hat. Der gefährliche Sport gehört
    geradezu zu den Pflichten eines Offiziers. Der rohe Sport des Faustkampfes oder der spanischen Toreadors ist ein
    Zeichen von Barbarei. Aber der auf ein besonderes Ziel gerichtete Sport ist ein Zeichen kultureller
    Entwicklung.«
    »Nein, ich komme ein andermal nicht wieder her; das regt mich doch gar zu sehr auf«, sagte die Fürstin Betsy.
    »Nicht wahr, Anna?«
    »Aufregend ist es; aber man kann sich doch nicht davon losreißen«, meinte eine andere Dame. »Wäre ich eine
    Römerin gewesen, so hätte ich an keinem Kampftage im Zirkus gefehlt.«
    Anna erwiderte nichts und blickte, ohne das Opernglas abzusetzen, immer nach einer Stelle hin.
    In diesem Augenblick ging ein hoher General durch die Loge. Alexei Alexandrowitsch unterbrach seine
    Auseinandersetzung, stand eilig, aber dabei doch würdevoll auf und verbeugte sich tief vor dem vorübergehenden
    Offizier.
    »Sie reiten das Rennen nicht mit?« fragte ihn der Offizier scherzend.
    »Mein Rennen ist schwieriger«, antwortete Alexei Alexandrowitsch achtungsvoll.
    Und obgleich diese Erwiderung eigentlich keinen rechten Sinn hatte, machte der hohe Offizier doch eine Miene,
    als habe er von einem geistreichen Manne ein geistreiches Wort vernommen und verstehe völlig la pointe de la
    sauce 1 .
    »Es sind da zwei Standpunkte zu unterscheiden«, fuhr Alexei Alexandrowitsch von neuem in seiner Darlegung fort,
    »der der aktiv Beteiligten und der der Zuschauer. Die Lust an solchen Schauspielen ist bei den Zuschauern, das muß
    ich zugeben, ein sicheres Zeichen eines niedrigen Bildungsgrades; aber ...«
    »Nun, Fürstin, wollen wir wetten?« erscholl von unten her die Stimme Stepan Arkadjewitschs, der sich an Betsy
    wandte. »Auf wen halten Sie?«
    »Anna und ich halten auf den Fürsten Kusowlew«, erwiderte Betsy.
    »Ich auf Wronski. Um ein Paar Handschuhe!«
    »Es gilt!«
    »Wie hübsch das Rennen ist, nicht wahr?«
    Alexei Alexandrowitsch hatte einen Augenblick geschwiegen, während dies dicht neben ihm gesprochen wurde; aber
    dann begann er sogleich wieder:
    »Ich muß zugeben, daß unmännliche Spiele ...«
    Aber er konnte nicht weiterreden, da in diesem Augenblicke die Reiter starteten und alle Gespräche abgebrochen
    wurden. Auch Alexei Alexandrowitsch verstummte. Alle waren aufgestanden und hatten sich nach dem Flüßchen
    hingewandt. Für das Rennen hatte Alexei Alexandrowitsch kein Interesse, und daher blickte er nicht nach den Reitern
    hin, sondern er ließ seine müden Augen durch die Reihen der Zuschauer wandern. Sein Blick blieb auf Anna
    haften.
    Ihr Gesicht war blaß und tiefernst. Sie sah offenbar nichts und niemanden außer einem einzigen. Ihre Hand preßte
    sich krampfhaft um den Fächer zusammen, und sie atmete kaum. Er betrachtete sie einen Augenblick; dann wandte er
    sich eilig ab und sah nach anderen Gesichtern hin.
    ›Da, diese Dame da‹, sagte er zu sich selbst, ›und dort noch andere Damen sind auch sehr aufgeregt; das ist
    etwas sehr Natürliches.‹ Er wollte seine Frau nicht noch einmal ansehen; aber er fühlte seinen Blick unwillkürlich
    wieder dorthin gezogen. So schaute er denn von neuem in dieses Gesicht, bemüht, das nicht zu lesen, was doch so
    deutlich darauf geschrieben stand, und gegen seinen Willen las er darauf mit Entsetzen, was zu wissen er sich
    sträubte.
    Der erste Sturz eines Reiters – Kusowlew war am Flüßchen gestürzt – setzte alle in Aufregung; aber an Annas
    blassem, triumphierendem Gesichte sah Alexei Alexandrowitsch deutlich, daß der, nach dem sie hinsah, nicht gestürzt
    war. Als dann

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