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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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hätte. Aber was für ein Mann war dieser Wronski?
    Jetzt konnte Ljewin, mochte es nun wohlgetan sein oder nicht, sich nicht dazu entschließen, wegzugehen; er mußte
    feststellen, was für ein Mann das war, den sie lieben konnte.
    Es gibt Leute, die, wenn sie mit jemandem zusammentreffen, der auf irgendeinem Gebiete ihr glücklicher
    Nebenbuhler ist, sofort geneigt sind, von allem, was Gutes an ihm ist, die Augen wegzuwenden und nur das Schlechte
    zu sehen. Und wiederum gibt es Leute, die in ganz entgegengesetztem Verfahren eifrig danach verlangen, an diesem
    glücklichen Nebenbuhler diejenigen Eigenschaften herauszufinden, durch die er ihnen den Rang abgelaufen hat, und
    die an ihm nur das Gute suchen, mag ihnen auch der Schmerz fast das Herz abdrücken. Ljewin gehörte zu dieser Art.
    Und es wurde ihm nicht schwer, bei Wronski das Gute und Anziehende herauszufinden. Es sprang ihm sofort in die
    Augen. Wronski war ein Mann von mäßiger Größe, kräftig gebaut, brünett, mit einem hübschen, gutmütigen Gesichte,
    das einen außerordentlich ruhigen, festen Ausdruck trug. In seinem Gesicht und an seiner ganzen Gestalt, von dem
    kurz geschorenen dunklen Haar und dem frisch rasierten Kinn bis zu der bequem sitzenden nagelneuen Uniform, war
    alles an ihm einfach und zugleich vornehm. Wronski ließ zunächst die mit ihm ziemlich gleichzeitig eingetretene
    Dame zur Fürstin hingehen und trat dann selbst zu dieser und darauf zu Kitty heran.
    In dem Augenblicke, als er zu ihr trat, leuchtete in seinen Augen eine besondere Zärtlichkeit auf; mit einem
    ganz leisen, glücklichen, bescheiden triumphierenden Lächeln (so schien es Ljewin) beugte er sich in respektvoller,
    ruhiger Bewegung zu ihr hinab und streckte ihr seine kleine, aber breite Hand entgegen.
    Nachdem er alle Anwesenden begrüßt und mit jedem ein paar Worte gesprochen hatte, setzte er sich hin, ohne
    Ljewin auch nur angesehen zu haben, der seinerseits kein Auge von ihm verwandte.
    »Gestatten die Herren, daß ich Sie miteinander bekannt mache«, sagte die Fürstin, auf Ljewin weisend.
    »Konstantin Dmitrijewitsch Ljewin, Graf Alexei Kirillowitsch Wronski.«
    Wronski stand auf, blickte Ljewin freundlich in die Augen und drückte ihm die Hand.
    »Ich sollte ja wohl in diesem Winter einmal mit Ihnen zusammen an einem Diner teilnehmen«, sagte er mit seinem
    offenen, ungekünstelten Lächeln. »Aber Sie waren ganz unerwartet wieder aufs Land gereist.«
    »Konstantin Dmitrijewitsch verachtet und haßt die Stadt und uns Städter«, bemerkte die Gräfin Northstone.
    »Meine Worte müssen auf Sie einen starken Eindruck gemacht haben, da Sie sie so gut im Gedächtnis bewahren«,
    erwiderte Ljewin, errötete aber sofort, da ihm einfiel, daß er dasselbe schon vorhin gesagt hatte.
    Wronski blickte Ljewin und die Gräfin Northstone an und lächelte.
    »Sie leben immer auf dem Lande?« fragte er. »Ich denke mir, im Winter ist es da recht langweilig.«
    »Wenn man seine Tätigkeit hat, ist es nicht langweilig; auch langweile ich mich nie, wenn ich mit mir allein
    bin«, versetzte Ljewin in etwas scharfem Tone.
    »Ich liebe das Landleben«, sagte Wronski, der Ljewins Ton wohl bemerkte, aber tat, als ob ihm nichts
    auffiele.
    »Aber Sie würden sich hoffentlich nicht dazu verstehen, immer auf dem Lande zu leben, Graf?« fragte die Gräfin
    Northstone.
    »Das weiß ich nicht. Auf längere Zeit habe ich es noch nicht versucht. Ich habe einmal eine seltsame Empfindung
    durchgemacht«, fuhr er fort. »Ich habe mich nach dem Landleben, nach einem russischen Dorfe mit seinen Bauern und
    Bastschuhen nirgends so gesehnt wie in Nizza, wo ich mit meiner Mutter einen Winter zubrachte. Nizza ist ja an und
    für sich langweilig, wie Sie wissen, auch Neapel und Sorrent; schön sind sie nur bei kurzem Aufenthalt. Und gerade
    dort kommt einem besonders lebhaft die Erinnerung an Rußland und besonders an unsere Dörfer. Sie sind gleichsam
    ...«
    Während er sprach, wandte er sich sowohl an Kitty wie auch an Ljewin und ließ seinen ruhigen, freundlichen Blick
    von einem zum anderen gleiten; er redete offenbar, wie es ihm gerade in den Sinn kam.
    Als er bemerkte, daß die Gräfin Northstone etwas sagen wollte, hielt er inne, ohne den begonnenen Satz zu Ende
    zu bringen, und hörte ihr aufmerksam zu.
    Das Gespräch stockte keinen Augenblick, so daß die alte Fürstin, die für den Fall etwa eintretenden Stoffmangels
    immer zwei schwere Geschütze in Reserve hielt, den Vergleich der

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