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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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sagen will? Das will ich sagen!« rief der Fürst; dabei fuchtelte er mit den Armen umher, schlug
    dann aber gleich wieder seinen mit Eichhornfell gefütterten Schlafrock übereinander. »Daß Sie keinen Stolz, keine
    Würde besitzen, daß Sie unsere Tochter bloßstellen und unglücklich machen durch diese nichtswürdige, dumme
    Ehestifterei!«
    »Aber ich bitte dich, um Gottes willen, Fürst, was habe ich denn getan?« rief die Fürstin, beinahe in Tränen
    ausbrechend.
    Glücklich und zufrieden war sie nach dem Gespräche mit ihrer Tochter zum Fürsten gekommen, um ihm wie gewöhnlich
    gute Nacht zu sagen; zwar von Ljewins Antrage und Kittys abschlägiger Antwort hatte sie ihrem Mann nichts sagen
    wollen; aber sie hatte ihm doch angedeutet, daß sie die Angelegenheit mit Wronski als ganz sicher betrachte und daß
    sie zur Entscheidung kommen werde, sobald seine Mutter einträfe. Bei diesen Worten war der Fürst plötzlich
    aufgefahren und hatte in derben Ausdrücken zu schelten angefangen.
    »Was Sie getan haben? Das liegt auf der Hand: Erstens haben Sie einen Freier angelockt, und ganz Moskau wird
    darüber reden, und mit Fug und Recht. Wenn Sie Abendgesellschaften veranstalten, dann sollten Sie allerlei Leute
    einladen und nicht nur ausgewählte Heiratskandidaten. Laden Sie alle diese Windhunde ein« (so nannte der Fürst die
    jungen Männer von Moskau), »nehmen Sie einen Klavierspieler an und lassen Sie sie tanzen; aber nicht so wie heute,
    nur Heiratskandidaten, um etwas zusammenzukuppeln. Mir ist es ekelhaft, das mit anzusehen, geradezu ekelhaft; aber
    Sie haben es erreicht, dem Kinde den Kopf zu verdrehen. Ljewin ist ein tausendmal wertvollerer Mensch. Dagegen
    dieser Petersburger Geck, solche Dutzendware, alle nach derselben Schablone, und sämtlich Schund. Aber wenn er auch
    ein Prinz von Geblüt wäre, meine Tochter hat es nicht nötig, sich einen Freier verschaffen zu lassen!«
    »Aber was habe ich denn getan?«
    »Sie hören es ja!« schrie der Fürst zornig.
    »Soviel ich weiß«, unterbrach ihn die Fürstin, »wenn es nur nach dir ginge, würden wir unsere Tochter niemals
    verheiraten. Dann könnten wir auch lieber aufs Land hinausziehen.«
    »Das wäre auch das beste!«
    »So höre doch nur! Bin ich etwa entgegenkommend gewesen? Doch nicht im entferntesten. Ein junger Mann, und ein
    sehr netter junger Mann, hat sich in sie verliebt, und es scheint, daß sie ...«
    »Jawohl, jetzt heißt es: ›Es scheint!‹ Aber wenn sie sich nun wirklich in ihn verliebt und er ans Heiraten
    ebensowenig denkt wie ich? – Ich mag dieses Getue gar nicht ansehen! ›Ah, der Spiritismus! Ah, Nizza! Ah, auf dem
    Balle!‹« Der Fürst versuchte, die Rolle seiner Frau zu spielen, und knickste bei jedem Worte. »So führen wir Kittys
    Unglück herbei, und sie setzt sich wirklich in den Kopf, daß dieser Mensch ...«
    »Wieso glaubst du denn das von ihm?«
    »Ich glaube es nicht, ich weiß es; für so etwas haben wir Männer Blick und ihr Weiber nicht. Ich sehe da einen
    jungen Mann, der ernste Absichten hat, das ist Ljewin; und ich sehe da einen hohlen Patron, diesen lockeren Zeisig,
    der sich nur amüsieren will.«
    »Du hast dich nun einmal in diese Vorstellung verrannt ...«
    »Du wirst schon noch an das denken, was ich gesagt habe, aber wenn's zu spät ist; gerade wie bei der armen
    Dolly.«
    »Nun gut, gut, wir wollen nicht weiter davon reden«, fiel ihm die Fürstin ins Wort, der die Erinnerung an die
    unglückliche Dolly zu schmerzlich war.
    »Na schön, dann gute Nacht!«
    Die Gatten bekreuzten und küßten einander; aber sie fühlten beim Auseinandergehen, daß jeder von ihnen bei
    seiner Meinung blieb.
    Die Fürstin war vorher fest davon überzeugt gewesen, daß der heutige Abend über Kittys Geschick entschieden habe
    und daß an Wronskis Absichten kein Zweifel möglich sei; aber die Worte ihres Mannes hatten sie doch in dieser
    Überzeugung wankend gemacht. Und als sie sich in ihr Zimmer zurückgezogen hatte, wiederholte sie, ganz wie Kitty,
    in banger Sorge vor der unbekannten Zukunft, mehrmals im stillen: ›Herr, erbarme dich; Herr, erbarme dich; Herr,
    erbarme dich!‹

16
    Wronski hatte niemals ein Familienleben gekannt. Seine Mutter war in ihrer Jugend eine glänzende Weltdame
    gewesen und hatte während ihrer Ehe, besonders aber nachher, mancherlei Liebesverhältnisse gehabt, die der gesamten
    feineren Gesellschaft bekannt waren. Seinen Vater hatte er kaum gekannt; er war im Pagenkorps erzogen

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