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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Herren, daß ich nicht etwa den Sumpf für mich aufsparen wollte«, sagte Ljewin. »Wir
    haben nur Zeit damit verloren.«
    »O nein, es war doch sehr vergnüglich«, meinte Wasenka Weslowski und stieg mit der Flinte und dem Kiebitz in den
    Händen unbeholfen in den Wagen. »Haben Sie es wohl gesehen? Ganz prächtig habe ich den hier getroffen! Nicht wahr?
    Na, kommen wir nun bald ins richtige Gelände?«
    Auf einmal zogen die Pferde an, Ljewin stieß mit dem Kopf heftig gegen den Lauf einer der Flinten, und es
    erdröhnte ein Schuß. So erschien der Hergang wenigstens Ljewin; in Wirklichkeit war zuerst der Schuß losgegangen.
    Die Sache war die, daß Wasenka Weslowski beim Abspannen der Hähne auf den einen Abzug gedrückt, aber den andern
    Hahn festgehalten hatte. Die Ladung war in die Erde gegangen, ohne jemandem Schaden zu tun. Stepan Arkadjewitsch
    wiegte den Kopf hin und her und lachte den unvorsichtigen Schützen vorwurfsvoll an. Aber Ljewin mochte diesem keine
    Vorhaltungen machen. Denn erstens hätte jeder Vorwurf den Anschein erweckt, als sei er durch die vorübergegangene
    Gefahr und durch die auf Ljewins Stirn hervortretende Beule veranlaßt worden, und zweitens legte Weslowski zuerst
    eine so aufrichtige Betrübnis an den Tag und lachte dann so gutmütig und allerliebst über ihren gemeinsamen
    Schreck, daß es unmöglich war, nicht mitzulachen.
    Als sie zu dem zweiten Sumpf gelangten, der ziemlich groß war und viel Zeit kosten mußte, redete ihnen Ljewin
    zu, sie möchten nicht aussteigen. Aber Weslowski bat wieder, und Ljewin gab nach. Da der Sumpf nur schmal war, so
    blieb Ljewin als höflicher Wirt wieder bei dem Wagen.
    Gleich von vornherein stürzte Crack auf einige grasbewachsene Erdhöcker los. Wasenka Weslowski lief als erster
    hinter dem Hunde her. Stepan Arkadjewitsch war noch nicht herangekommen, als auch schon eine Schnepfe aufflog.
    Weslowski fehlte sie, und die Schnepfe setzte sich in einiger Entfernung auf eine ungemähte Wiese. Aber diese
    Schnepfe war nun doch einmal für Weslowski bestimmt. Crack fand sie wieder, jagte sie auf, und Weslowski erlegte
    sie und kehrte zum Wagen zurück.
    »Jetzt, bitte, gehen Sie, und ich werde bei den Pferden bleiben«, sagte er.
    Ljewin überkam der Jagdneid; er übergab Weslowski die Zügel und ging in den Sumpf.
    Laska, die schon lange kläglich gewinselt und sich über die ungerechte Behandlung beklagt hatte, stürmte voran,
    gerade auf eine hoffnungerregende, ihrem Herrn schon von früher bekannte, mit kleinen Erdhöckern bedeckte Stelle
    los, zu der Crack noch nicht gekommen war.
    »Warum hältst du den Hund denn nicht zurück?« rief Stepan Arkadjewitsch.
    »Er wird keine verscheuchen«, antwortete Ljewin, der sich über seinen Hund freute und ihm nacheilte.
    Je näher Laska auf ihrer Suche den wohlbekannten Erdhöckern kam, um so ernster und eifriger wurde sie. Ein
    kleiner Sumpfvogel lenkte nur für einen kurzen Augenblick ihre Aufmerksamkeit ab. Sie beschrieb einen Kreis vor den
    Erdhöckern, begann einen zweiten und fuhr plötzlich zusammen und blieb regungslos stehen.
    »Komm, Stiwa, komm!« rief Ljewin. Er fühlte, wie sein Herz heftiger zu pochen begann und wie auf einmal, als
    wäre eine Art von Riegel in seinem stark angestrengten Gehörorgan beiseite geschoben, allerlei Geräusche, für deren
    Entfernung er jedoch den Maßstab verloren hatte, unklar, aber laut an sein Ohr schlugen. Er hörte Stepan
    Arkadjewitschs Schritte, hielt sie jedoch für fernes Pferdegetrappel; er hörte das leise, knirschende Geräusch von
    der Ecke eines grasbewachsenen Erdhöckers, auf die er getreten war und die sich nun mitsamt den Wurzeln loslöste,
    und nahm dieses Geräusch für den Flügelschlag einer Schnepfe; er hörte auch nicht weit hinter sich im Wasser
    irgendein Plätschern, über dessen Ursprung er sich keine Rechenschaft geben konnte.
    Sorgsam die Stellen aussuchend, wo er die Füße hinsetzen konnte, rückte er dem Hunde näher.
    »Faß!«
    Es war keine Schnepfe, sondern eine Bekassine, die vor dem Hund aufflog. Ljewin hob das Gewehr in die Höhe; aber
    gerade in dem Augenblick, wo er zielte, wurde eben jenes plätschernde Geräusch im Wasser stärker und kam näher, und
    es vereinigte sich damit die Stimme Weslowskis, der irgend etwas auffällig laut rief. Ljewin sah zwar, daß er
    hinter die Schnepfe zielte, schoß aber dennoch.
    Nachdem Ljewin sich überzeugt hatte, daß es ein Fehlschuß gewesen war, schaute er sich um und sah, daß

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