Anna Karenina
jenes Erlenwäldchen und bis dicht an die Mühle heran. Dort, siehst du, da, wo die Bucht ist.
Das ist die beste Stelle. Da habe ich einmal siebzehn Bekassinen geschossen. Wir wollen mit den beiden Hunden nach
verschiedenen Richtungen auseinandergehen und dort bei der Mühle wieder zusammentreffen.«
»Na ja, wer soll denn nun rechts gehen und wer links?« fragte Stepan Arkadjewitsch. »Rechts ist der Sumpf
breiter; geht ihr beide da, und ich werde links gehen«, sagte er scheinbar so leichthin.
»Vorzüglich! Wir wollen ihn mit unserer Jagdbeute gehörig ausstechen. Na, kommen Sie, kommen Sie, kommen Sie!«
stimmte Wasenka seinem Vorschlag bei.
Ljewin konnte nicht nein sagen. Bevor sie sich trennten, mußten sie noch eine kurze Strecke zusammenbleiben.
Kaum hatten sie den Sumpf betreten, als die beiden Hunde gleichzeitig zu suchen anfingen und nach einigen
rostbraunen Wasserlachen strebten. Ljewin kannte Laskas vorsichtige, unbestimmte Art zu suchen; er kannte auch die
Stelle und machte sich auf einen ganzen Schwarm Bekassinen gefaßt.
»Weslowski, halten Sie sich neben mir, immer neben mir!« flüsterte er seinem Gefährten zu, der hinter ihm her
durch das Wasser patschte; denn nach dem unvermuteten Schuß beim Kolpenskischen Sumpfe interessierte sich Ljewin
unwillkürlich für die Richtung von Weslowskis Flinte.
»Nein, nein, ich möchte Sie nicht stören; bitte, denken Sie gar nicht an mich.«
Aber unwillkürlich dachte Ljewin doch an ihn und erinnerte sich an das, was ihm Kitty beim Abschied gesagt
hatte: ›Nehmt euch nur in acht, daß ihr nicht einer den andern totschießt.‹ Näher und näher kamen die Hunde,
einander ausweichend und jeder seinen Strich verfolgend. Die Spannung auf das Erscheinen der Bekassinen war bei
Ljewin so stark, daß ihm das Schmatzen seines Stiefelabsatzes, wenn er ihn aus dem Morast herauszog, wie der Schrei
einer Bekassine klang und er jedesmal nach dem Kolben seines Gewehres griff und ihn fest in die Hand drückte.
Piff! Paff! ertönte es über seinem Ohr. Wasenka hatte auf einen Schwarm Enten geschossen, der über dem Sumpf
kreiste und in diesem Augenblick, aber noch weit außer Schußweite, auf die Jäger zugeflogen kam. Ljewin hatte noch
nicht Zeit gehabt, danach zu blicken, als eine Bekassine schmatzte, dann eine zweite, eine dritte; und so flogen
noch etwa acht Stück eine nach der anderen auf.
Stepan Arkadjewitsch traf eine gerade in dem Augenblick, als sie sich anschickte, ihre Zickzacklinien zu
beginnen, und die Bekassine fiel wie ein Klümpchen in den Morast. Ohne Hast zielte er dann nach einer zweiten, die
noch niedrig nach dem hohen Riedgras hin flog, und zugleich mit dem Knall des Schusses fiel auch diese Bekassine
herunter, und man konnte sehen, wie sie aus dem gemähten Ried aufhüpfte und mit dem einen unverletzt gebliebenen,
auf der Unterseite weißen Flügel um sich schlug.
Ljewin hatte nicht soviel Glück; er schoß auf die erste Bekassine aus zu großer Nähe und fehlte sie; dann legte
er auf sie an, als sie bereits anfing aufzusteigen; aber in diesem Augenblick flog noch eine ihm dicht vor den
Füßen auf und beirrte ihn, und er tat einen zweiten Fehlschuß.
Während sie die Flinten von neuem luden, flog noch eine Bekassine auf, und Weslowski, der schon mit dem Laden
fertig war, schickte noch zwei Ladungen feines Schrot ins Wasser. Stepan Arkadjewitsch suchte seine Bekassinen
zusammen und blickte Ljewin mit freudestrahlenden Augen an.
»Nun, dann wollen wir uns jetzt trennen«, sagte Stepan Arkadjewitsch, pfiff seinem Hunde und ging, mit dem
linken Bein ein wenig hinkend und das Gewehr bereithaltend, nach der einen Seite. Ljewin und Weslowski gingen nach
der andern.
Es ging Ljewin immer so: wenn ihm die ersten Schüsse mißglückt waren, wurde er hitzig, ärgerte sich und schoß
den ganzen Tag schlecht. So war es auch an diesem Tage. Bekassinen wurden in großer Menge sichtbar. Vor dem Hunde
und vor den Füßen der beiden Jäger flogen sie unaufhörlich auf, und Ljewin hätte die Möglichkeit gehabt, den üblen
Anfang wiedergutzumachen; aber je mehr er schoß, um so mehr blamierte er sich vor Weslowski, der in Schußweite und
außer Schußweite lustig drauflos feuerte, nichts traf und sich in keiner Weise dadurch in Aufregung versetzen ließ.
Ljewin überhastete sich, zielte nicht ordentlich, wurde immer hitziger und kam bald so weit, daß er, wenn er schoß,
kaum noch hoffte, daß er etwas treffen werde. Auch Laska
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